Die Suchtprävention fokussiert besonders auf das Jugendalter, weil in dieser Lebensphase die Grundlagen für problematisches Konsumverhalten und spätere Suchtstörungen gelegt werden. Das Jugendalter ist für die Entstehung von Suchtstörungen die wichtigste Lebensphase. In der Kindheit und Jugend entstehen erstmals Wirkungserwartungen an Suchtmittel. Durch Modelllernen werden Konsum und Konsumfolgen intrapsychisch als positiv und erstrebenswert beobachtet und bekräftigt. Doch erst durch reale Konsumerfahrungen werden Verhaltensgewohnheiten gelernt, die sich von adäquater Kontrolle bis zu Kontrollverlust erstrecken können.
Die Zeit des Jugendalters – grob geschätzt – vom 14. bis 21. Lebensjahr ist daher die sensible Phase zum Erlernen der relevanten Verhaltensweisen im Umgang mit Substanzen. Der Einstieg in den Konsum von Alkohol geschieht durchschnittlich mit knapp 15 Jahren. Die Mehrzahl der Jugendlichen entwickelt keinen problematischen Konsum. Ihnen gelingt erfreulicherweise also die Bewältigung der Entwicklungsaufgabe, mit Drogen kontrolliert oder völlig vermeidend (abstinent) umzugehen. Für die Entstehung späterer Suchtprobleme ist die Initialphase des Konsums besonders wichtig, weil hier Prägungen und Gewohnheitsbildung stattfinden. In dieser Zeit werden tiefgreifende Lernerfahrungen gemacht, die sich auch nachhaltig in den neurologischen Schaltkreisen des Gehirns abbilden. Problemvermeidung, Eskapismus (Flucht aus der Realität), substanzinduzierte Angstbewältigung und Sozialverhalten unter Alkohol- und Drogeneinfluss sind nur einige Beispiele für die Lernerfahrungen aus dieser Zeit, die sich besonders stark einprägen.
Inhaltsübersicht
Wieso Jugendalter?
Das Jugendalter ist eine „Erfindung“ der Neuzeit. In früheren Zeiten wechselten die Menschen von der Kindheit direkt ins Erwachsenenalter, vor allem auch weil die Lebenserwartung ohnehin kurz war und die meisten schon früh im Leben harte Arbeit leisten mussten. Mit der Aufklärung und der Idee der Bildung (Schule) wurde die Lebensphase der Jugend konstituiert. Seitdem wird diese Lebensphase immer länger, beginnt früher und endet später. Grob geschätzt sprechen wir heute von der Jugend vom 12. bis zum 25. Lebensjahr. Die traditionelle Sichtweise war jedoch, dass diese Lebensphase vom 14. bis 21. Lebensjahr dauert.
Im Jugendalter werden die Strukturen für ein späteres Leben ohne Sucht genauso wie für ein Leben mit Sucht gelegt. Die ersten Konsumerfahrungen können prägende Effekte bezüglich der Wirkung und des weiteren Verhaltens erzeugen. Nach einer Phase des Neugierkonsums und des Experimentierens mit Substanzen, die viele durchmachen, zeigen mehr als 85% der Jungerwachsenen einen problemfreien Umgang mit Suchtmitteln. Besonders Jungen neigen zu riskanten und experimentellem Substanzkonsum. Wie kommt es aber zur Entwicklung einer Sucht bei der Subgruppe der Gefährdeten? Zur Beantwortung dieser Frage ist es wichtig, einerseits auf Risikoprofile und andererseits auf den kurzfristigen Nutzen (Funktionalität) des Substanzkonsums zu schauen.
Erste Konsumerfahrungen können nachhaltig prägen
Wenn Jugendliche vermehrt negative Emotionen erleben und mit psychischem Stress belastete sind, wirken die ersten Konsumerfahrungen mit Alkohol und Cannabis oft so durchschlagend positiv, dass der Konsum wiederholt wird, um dieselben Effekte wieder zu erreichen. Im lernpsychologischen Sinne bedeutet dies, dass ein unangenehmer, negativer Ausgangszustand durch die Wirkung der konsumieren Substanz behoben wird und der Jugendliche sich entscheidend besser fühlt. Dieses Prinzip wird „negative Verstärkung“ genannt und ist geeignet, häufige Verhaltenswiederholungen zu erzeugen. Im Gehirn wird dadurch eine Verhaltensbahnung erzeugt, die sich tief einprägen („Suchtgedächtnis“) kann.
Die Funktionen und Ziele des Substanzkonsums sind vielfältig
Der Konsum von Alkohol und Drogen im Jugendalter erfüllt vielfältige Funktionen. Wahrscheinlich ist das Phänomen daher so besonders komplex. Die Multidimensionalität der Ziele des Substanzkonsums macht diesen zu einem relevanten entwicklungspsychologischen Problem im Jugendalter. Zu den – meist unbewusst – angestrebten Zielen gehören:
- Demonstrative Vorwegnahme von Erwachsenenverhalten
- Ausdruck bewusster Verletzung elterlicher Kontrollvorstellungen
- Oppositionelles Ausdrucksmittel für sozialen Protest und gesellschaftliche Wertkritik
- Instrument bei der Suche nach grenzüberschreitenden, bewusstseinserweiternden Erfahrungen und Erlebnissen
- Ausdruck des noch vorhandenen Mangels an Selbstkontrolle
- Versuch, sich auf einfache Weise Entspannung durch Bewusstseinsveränderung zu verschaffen
- Zugangsmöglichkeit und Zugehörigkeit für attraktiv bewertete Freundesgruppen (“peers”)
- Symbolisierung der Teilhabe an subkulturellen Lebensstilen („Autonomiestreben“)
- Ausdruck (positiver) Konformität zu einer subjektiv „hochwertigen“ Peer-Gruppe
- Ohnmachtsreaktion bei Übermaß von Konflikten und Spannungen im sozialen Nahraum
- Mittel zur Lösung von frustrierendem Verhaltens- und Leistungsversagen
- Kompensation psychischer und sozialer Entwicklungsstörungen
- (Meist unbewusster) Versuch der Imitation von Modellverhalten, z.B. der Eltern in der frühen Kindheit oder von Peers.
Diese einzelnen Funktionen des Substanzkonsums können mit folgenden fünf Oberbegriffen zusammengefasst werden:
- Euphorisierung: Verbesserung der Stimmung und der Emotionen
- soziale Integration: Akzeptanz durch Peers
- Stressreduktion: soziale und psychische Belastungen verringern
- Selbstmedikation: Angstabbau, Stimmungsverbesserung, Aggressivitätssteigerung
- Eskapismus: Flucht aus der als unerträglich erlebten Realität.
Diese fünf Megavariablen erklären die meisten Motive und Funktionen des Substanzkonsums im Jugendalter.
Risikofaktoren
Die Risikomerkmale für einen problematischen Substanzkonsum im Jugendalter beziehen sich auf den gesamten biopsychosozialen Bereich im Leben der Jugendlichen und können sich gegenseitig verstärken oder abschwächen.
Zu den Risikovariablen aus dem psychologischen Bereich, die schon vor einer späteren Abhängigkeit bestehen, gehören bestimmte Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale. Die Risikomerkmale lassen sich grob in zwei Bereiche einteilen. Die erste Gruppe bezieht sich auf problematische intrapsychische Merkmale im Zusammenhang mit Emotionen, wie Angst, Selbstunsicherheit, Depressivität und Negativität. Hier wirken sich die Substanzen beruhigend und kurzfristig förderlich aus. Angst lässt zunächst nach, negative selbstbezogene Kognitionen werden unterdrückt und können sich sogar ins Gegenteil verkehren. Diese Effekte bestehen aber nur, solange wie die eingenommenen Substanzen wirksam sind. Dadurch kann ein Teufelskreis aus Defiziterleben – Konsum – positive Konsumwirkung – Nachlassen der Wirkung – neuerliches Defiziterleben ergeben.
Der zweite Bereich psychischer Probleme bezieht sich auf sozial problematische Verhaltensweisen (externalisierendes Verhalten), insbesondere Aggressivität sowie soziale Norm- und Regelverletzungen. Hier wirken sich die Substanzen ebenfalls verstärkend und intensivierend aus, so dass Aggressionen verstärkt werden. In manchen Fällen kann es jedoch auch zu einer Dämpfung und Beruhigung der aggressiven Tendenzen kommen.
Vaterlosigkeit
Zu den bislang in Forschung und Praxis noch wenig beachteten Risikovariablen für jugendlichen Substanzkonsum zählt deren vaterlose Sozialisation. Auffällig ist die Tatsache, dass zwischen 40% und 75% der Jugendlichen, die eine Suchtstörung entwickeln, vollständig oder weitgehend ohne ihren leiblichen Vater aufgewachsen sind. Dahinter verbergen sich eine ganze Reihe einzelner Probleme, insbesondere für den männlichen Jugendlichen. Entweder er kennt seinen Vater gar nicht und erlebt dies im Aufwachsen als ein Defizit, auch im Vergleich mit anderen. Es fehlt die dringend nötige Identifikationsfigur für das Aufwachsen als Junge und die psychosoziale Entwicklung zum Mann.
Für die alleinerziehende Mutter ist der Alltag stressiger, was sich ebenfalls auf Kinder und Jugendliche auswirkt.
Die Konstellation, mit einer alleinerziehenden Mutter oder einem Stiefvater aufzuwachsen, scheint ein Bündel von Risikofaktoren, insbesondere für Jungen, zu umfassen.
Transgenerationalität der Suchtprobleme
Jugendliche, deren Eltern ein Suchtproblem haben, weisen ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer Substanz- oder Verhaltenssucht auf. Sie erleben im Alltag ein hohes Ausmaß an Stress, Unberechenbarkeit, Disharmonie und Instabilität. Zwischen 33% und 40% dieser Kinder entwickeln eine Suchtstörung im Laufe ihres Lebens, oft aber schon im Jugendalter. Eltern mit Suchtproblemen tendieren lange Zeit dazu, dieses Problem zu verleugnen und abzuwehren, so dass die Kinder in das familiale Tabu hineinwachsen und sich mehr und mehr für das Verhalten der Eltern schämen. Leider gibt es immer noch sehr wenige spezialisierte Hilfe- und Präventionsangebote für diese Personengruppe. Die notwendigen Präventionsangebote werden als selektive Prävention, die Hilfe für bekannte Risikogruppen, bezeichnet. Eine schon langjährig bewährte Online-Hilfe ist unter www.kidkit.de zu finden. Diese Website bietet im deutschsprachigen Raum niedrigschwellig Hilfen für Jugendliche an, deren Eltern an Sucht oder einer anderen psychischen Störung erkrankt sind oder gewalttätig sind.
Rolle der Peers
Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass ab der späten Kindheit (12.- 14. Lj.) die Bedeutung der Peers (gleichaltrig und etwas älter) steigt. Sie setzen Verhaltensnormen, sind Modellpersonen und regeln den Zugang zu erwünschten Sozialkontakten. Besonders häufig sind es ältere Jungen, die für Jüngere die Verhaltensnormen setzen. Ältere Jungen versuchen auch oft, jüngere Mädchen von sich abhängig zu machen und sie zum Substanzkonsum zu bringen. In der Jugendphase haben Peers den größten Einfluss auf andere, insbesondere wenn sie in der Gruppenhierarchie weit oben stehen. Die Fähigkeiten zur Abgrenzung, Autonomie und Selbstbehauptung müssen erst noch gelernt werden. In der Suchtprävention haben sich Peer-to-Peer-Programme als wirksam erwiesen, wenn sie gut betreut sind, was eine intensive, kontinuierliche Schulung der Peers, die Programmleiter sind, umfasst.
Verläufe und Entwicklungen
Suchtprobleme entwickeln sich oft schon im Jugendalter über Vorläufersyndrome wie z.B. häufiger exzessiver Konsum, Konsum in der Peer-Gruppe, Erleichterungstrinken, Binge-Drinking (Exzessiver punktueller Konsum). Zunächst ist von einem problematischen Substanzkonsum auszugehen. Die Suchterkrankung entwickelt sich meist später schleichend. Sie ist gekennzeichnet durch starkes, unwiderstehliches Verlangen („craving“), Entzugssymptome (physisch und psychisch), Dosissteigerung, Toleranzerhöhung (gleiche Konsummengen erzielen eine geringere Wirkung), Veränderung des Lebensstils, Vernachlässigung wichtiger Lebensinhalte (Schule, Studium, Beruf, Partnerschaft, Freunde) und Konzentration der Gedanken und Handlungsabläufe auf den Substanzkonsum. Bei Verhaltenssüchten (Mediensucht, Glücksspielsucht, Kaufsucht) sind die Symptome entsprechend, außer dass das exzessive Verhalten und nicht die Substanz im Mittelpunkt steht. Im Jugendalter sind die Verläufe noch flexibler und eine Konsumproblematik kann noch leichter reduziert oder aufgelöst werden. Frühinterventionen und niedrigschwellige Hilfeangebote auf der Basis beziehungsintensiver Hilfen sind in dieser Lebensphase besonders wichtig.
Zahlen und Fakten
Die psychischen Belastungen im Jugendalter sind hoch. Die deutsche Studie zur Gesundheit im Kindes- und Jugendalter (KIGGS, BELLA) hat gezeigt, dass 18% der Kinder und Jugendlichen an einer relevanten, behandlungsbedürftigen psychischen Störung leiden. Hier sind vor allem Angststörungen, Depressionen und soziale Verhaltensstörungen (ADHS, Störung des Sozialverhaltens) zu nennen. Aber auch problematisches Ess- und Substanzkonsumverhalten sind zu nennen. Der Alkohol- und Tabakkonsum bei Jugendlichen hat in den letzten 20 Jahren kontinuierlich nachgelassen.
Nach der jüngsten Drogenaffinitätsstudie der BzgA (2019) berichtet jeder siebte Jugendliche (12 bis 17 Jahre), dass er in den letzten 30 Tagen exzessives Trinken (Rauschtrinken) betrieben hat. Bei den Jungerwachsenen (18 bis 25 Jahre) beträgt die entsprechende Quote 40.6%. Es sind durchschnittlich doppelt so viele Männer wie Frauen, die dieses Verhalten zeigen. 8.1% der Jugendlichen und 24.1% der Jungerwachsenen haben in den letzten 12 Monaten Cannabis konsumiert. Eine genauere Betrachtung der Konsumhäufigkeiten und -gewohnheiten bei Jugendlichen zeigt, dass eine Fokussierung auf riskant konsumierende Subgruppen wichtig ist. Nur so können Hilfen frühzeitig zu den Risikogruppen kommen. Auch regionale Besonderheiten (Sozialräume mit hohem Substanzkonsum) müssen berücksichtigt werden.
Empirische Betrachtung von Risikogruppen
Der DAK-Kinder- und Jugendreport 2021 zu Gesundheitsfragen bringt interessante Ergebnisse zu den relevanten Risikogruppen. Wenn Schulkinder im Alter von 10 – 17 Jahren eine Depression aufweisen, ist das Risiko für Suchtmittelmissbrauch bei ihnen um das 12.8-fache erhöht. Bei Angststörungen beträgt die Risikoerhöhung das 5.8-fache. Bei einer psychischen Erkrankung eines Elternteils beträgt die Risikoerhöhung für einen Suchtmittelmissbrauch bei den Kindern und Jugendlichen zwischen dem 2-fachen (bei elterlicher Depression), dem 2.5-fachen (bei elterlicher Suchterkrankung) und dem 3.5-fachen (bei elterlicher Persönlichkeitsstörung). Dies sind klare Indikatoren für die Notwendigkeit von Frühintervention und selektiver Prävention (Prävention für Risikogruppen). Es braucht eine Kultur der frühzeitigen Hilfen, die sich vor allem auf familiale Problemsituationen beziehen. Diese müssen dazu erkannt werden und ansprechbar sein. Neben den Risiken für Jugendliche, die sich aus familiären Belastungen und Traumatisierungen ergeben, sind solche zu nennen, die sich aus problematischen Peer-Beziehungen ergeben.
Multidimensionalität der Prävention
Da die Mehrzahl der Jugendlichen, die problematischen Substanzkonsum betreiben, psychische Probleme im Vorfeld aufweist, sollte sich die Suchtprävention auch auf die Gesamtheit dieser Probleme beziehen. Dies würde eine Multidimensionalität der Ziele der Prävention bedeuten, insofern dass sich diese auch Ängste, negative Stimmungen und Verhaltensprobleme adressiert. Jugendliche, die früh Probleme mit Depressivität, Ängste, Aggressivität erleben, sollten daher umfassende Hilfen bekommen, die auch Substanzkonsum und exzessive Verhaltensweisen (Medien, Konsum) umfassen, welche oft unbewusste Selbstheilungsversuche darstellen. Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen muss zu einem „Main-Stream“-Thema der Gesellschaft in allen Bereichen werden. Dies bezieht sich dann auf das Bildungs- und Gesundheitswesen, aber auch Medien, Kultur und Sozialwesen.
Irrungen und Wirrungen der Suchtprävention
Die Geschichte der Suchtprävention in den letzten 50 Jahren ist eine der Irrungen und Wirrungen. Dies liegt zum größten Teil daran, dass keine Evidenzbasierung angestrebt oder realisiert wurde. Damit die psychische Entwicklung von Jugendlichen in schwierigen Zeiten gelingt, ist es umso wichtiger, eine deutlich intensivierte Förderung der Suchtprävention und Gesundheitsförderung anzugehen. Noch ist nicht vollkommen klar, wie sich die zeithistorischen Ereignisse Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg auf die besonders vulnerable Gruppe der Jugendlichen insgesamt ausgewirkt haben werden. Aber klar ist, dass diese Ereignisse nicht spurlos an den Jugendlichen vorbeigehen können. Die wichtigsten Ansätze einer modernen Suchtprävention für Jugendliche sind: (1) Lebenskompetenzförderung, (2) Substanzmündigkeit und (3) Risikoreduktion und Risikokompetenz. Hinzukommen die klassischen Ansätze: (1) Psychoedukation, (2) Freizeitverhalten, (3) affektive Erziehung und (4) Ablehnungskompetenz bzw. Selbstsicherheitstraining.
Defizite der gegenwärtigen Suchtprävention und Entwicklungsaufgaben
Die Suchtprävention in Deutschland ist reformbedürftig. Sie braucht mehr Ressourcen, aber auch mehr Forschung und Qualifikation. Die wichtigsten Problemstellungen sind hier aufgelistet:
- Zu geringe Durchlässigkeit zwischen Suchtprävention und Suchttherapie
- Zu geringe Durchlässigkeit zwischen Jugendhilfesystem und Medizinsystem
- Zu geringe Berücksichtigung von Hochrisikogruppen
- Zu geringe Erhebung und Berücksichtigung multipler Verhaltensexzessprobleme in ihrer Frühphase
- Mehr Beschäftigung mit antisozialen Verhaltens- und Persönlichkeitsproblemen nötig
- Mehr Fokussierung auf Subgruppen (personal, regional, strukturell) nötig
- Mehr Fokussierung auf differentielle Verlaufstypen („trajectories“)
- Regelhafte Implementierung evidenzbasierter Suchtpräventionsprogramme nötig
- Suchtprävention muss auch Konsumberatung umfassen
- Mehr Qualität in der Suchtpräventionsarbeit durch qualitätsgesichertes Berufsbild auf der Basis von Weiterbildungscurricula und -studiengängen
- Mehr Genderspezifität in der Suchtprävention (insbes. für Jungen)
Zukunftsaufgaben
Die Jugendphase ist die zentrale Lebensspanne in der Entwicklung von Konsumgewohnheiten mit psychotropen Substanzen. Auch für exzessive Verhaltensweisen, etwa im Bereich Medien und Glücksspiel, ist die Jugendphase besonders prägend. Für eine gelingende Bewältigung der Entwicklungsaufgaben im Jugendalter und der psychischen Probleme in dieser Phase ist eine umfassende Suchtprävention und Förderung der psychischen Gesundheit notwendig. Dafür müssen die gesellschaftlichen Anstrengungen deutlich stärker intensiviert und koordiniert werden.
Weiterführende Literatur
Arnaud, Nicolas & Thomasius, Rainer (2019). Substanzmissbrauch und Abhängigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Stuttgart: Kohlhammer.
Bühler, Anneke, Thrul, Johannes & Gomes de Matos, Elena (2020). Expertise zur Suchtprävention 2020. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung BzgA.
Hoff, Tanja & Klein, Michael (Hrsg.) (2015). Evidenzbasierung in der Suchtprävention. Möglichkeiten und Grenzen in Praxis und Forschung. Berlin: Springer.
Ich war früher in der niedrigschwelligen Suchthilfe tätig. Jetzt bin ich in der offenen und aufsuchenden Jugendhilfe. Vielleicht liegt es an der Kommune in der ich tätig bin, vielleicht ist es aber auch generell Thema der Jugendhilfe oder einfach menschlich, dass gerade Gruppen mit besonderem Förderbedarf besonders ignorant begegnet wird.
Das liegt sicherlich an der Furcht als Helfer zu Versagen bzw an dem Wunsch als Helfer erfolgreich zu sein. Aber auch an dem moralisch eher zweifelhaften Beweggrund, nicht mit “so jemanden” auf der gleichen Stufe zu stehen.
Mir persönlich ist es ein Rätsel, wieso ausgerechnet Sozialarbeiter Personen und Gruppen unterstützen, die offensichtlich kaum benachteiligt sind oder sogar Elitenförderung betreiben, anstatt sich da einzubringen wo Hilfe not tut.