Die Extreme sind der neue Normalzustand in einer chronisch übererregten Gesellschaft wie der unseren. Die schleichende, aber konsequente Entwicklung in Richtung Überregung von Gesellschaften zeigt sich vor allem in Bezug auf Emotionen und Moralisierungen, und dies zuerst in der digitalen Welt der sozialen Netzwerke. Hassbotschaften, tief gespaltene Lagerbildungen, symbolische soziale Bloßstellungen und Ächtungen gehören in der digitalen Welt längst zum Alltag. Die sozialen Netzwerke sind geradezu darauf angelegt, Emotionen zu generieren und zu übersteigern. Das macht sie vordergründig attraktiv und sorgt bei den Nutzern für sich wiederholende Bestätigungen und narzisstische Gratifikationen ohne Ende. Sie funktionieren anonym, schnell und mit viel Gruppensolidarität einerseits und Gruppenfeindschaften andererseits.
Die Polarisierungen in sozialen Netzwerken erinnern an die klassischen Ergebnisse sozialpsychologischer Experimente zu Intergruppenkonflikten in Kinderzeltlagern, in denen sich nach dem Austeilen von roten und blauen Leibchen nach kürzester Zeit rigide Lagerbildungen zeigten. Die übererregten Debatten und Kämpfe in sozialen Netzwerken sind insofern auch Ausdruck einer fortschreitend infantilisierten Erwachsenenwelt. Und seit dem Frühjahr 2020 kommt die Extremsituation der Corona-Pandemie hinzu, die ganz im Sinne einer gesellschaftlichen Dauerkrise die zugrundeliegenden Konflikte katalysiert. Was ist los in der Gesellschaft 2021? Ein sozialpsychologischer Blick auf die übererregte Corona-Gesellschaft und die möglicherweise noch extremere Post-Corona-Gesellschaft.
Inhaltsübersicht
Hyper, Hyper, Hyper
Gesellschaftliche Beschleunigung herrscht schon seit der Industrialisierung vor, nun kommt eine sich akzelerierende Übererregung hinzu, welche die Gesellschaft im Ganzen und viele Individuen im Einzelnen befällt. Im Kern sind es psychologische Prozesse kognitiver, emotionaler und neurobiologischer Art, die viele der dysfunktionalen Gesellschaftsprozesse erklären und vertiefend verstehen lassen können. Diese sind besonders in der digitalisierten Welt beobachtbar, die eine Art Laboratorium für künftige soziale Prozesse geworden ist. Insbesondere lassen sich die digitalen Aktualphänomene mit tiefen- und kognitionspsychologischen Methoden analysieren. Ein bislang vernachlässigter Zugang.
Das Vorherrschen extremer Emotionen und Verhaltensweisen begünstigt auch die Entwicklung exzessiver, suchtartiger Phänomene in der postmodernen Welt, am ehesten wohl im Bereich der Verhaltenssüchte. Diese sind in den letzten Jahren deutlich häufiger geworden. Am Beispiel der Internet-, Online- und Mediensucht lässt sich dies gut aufzeigen. Sie bieten dem gestressten, genauso wie dem gelangweilten Individuum vielfältige Möglichkeiten zur Alltagsflucht, vermeintlichen Problembewältigung und Selbstmodifikation. Die Förderung übererregter Zustände durch die Online-Welt fördert auch die Wiederholung von Exzessen. Nunmehr weniger mit Substanzen, wie bei den „klassischen“ Suchtstörungen, sondern mit Emotionen und Verhaltensweisen.
Die Tendenz zur Exzessivität hat in den letzten Jahren bei vielen Menschen, besonders in den sozialen Netzwerken und damit tendenziell bei Jüngeren, deutlich zugenommen. Die Entwicklung zeigt sich besonders in Übertreibung und Übererregung, bezogen auf Emotionen, Moralisieren, Bewertungen und Verhalten.
Hyper ist das neue Normal
Es herrscht inzwischen eine Hyper-Kultur vor, bestehend aus Hyper-Moral, Hyper-Emotion, Hyper-Aktivität. Es fühlt sich zunehmend wie in einem Fahrzeug mit Gaspedal und ohne Bremse an. Soziale Prozesse, die früher viele Tage benötigten um sich zu entfalten, laufen um ein Vielfaches schneller und ungebremster in den sozialen Netzwerken und manchmal auch im realen Leben ab.
Das Buch der TAZ-Bloggerin Hengameh Yagohoobifarahs, die im Jahr 2020 damit aufgefallen war, dass sie meinte, Polizisten könnten zu guter Letzt auf dem Müllhaufen entsorgt werden, wurde dann am 07. Februar 2021 im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung mit der Überschrift “So hyper wie lange nicht” besprochen. Die neue Regel heißt: So oft und intensiv hyper sein, wie es nur geht. Die Erfahrungen mit digitalen Kommunikationsprozessen zeigen, dass die Realitäten der sozialen Netzwerke dann nicht selten zeitversetzt in das vermeintlich beschauliche analoge Leben hinüberschwappen. Die E-Mail hat den Brief ersetzt, die Online-Konferenz die Teamsitzung im realen Konferenzraum, Instagram das Fotoalbum, Youtube und Tiktok das Fernsehen usw. Der Einfluss der digitalen Welt auf die reale ist viel größer, als es viele – vor allem Ältere – bisher wahrhaben wollten.
Wie die digitale Welt Hypererregung gezielt begünstigt
Auf die Bedingungen der digitalen Welt ist der Steinzeitmensch in uns, der immer nur in seiner Sippe mit 40 bis 60 Personen sprachlich und nonverbal kommunizierte, nicht vorbereitet. Die Tugenden der Wahrhaftigkeit, Exaktheit, Eindeutigkeit und Vernunft gehörten weder damals noch heute zu den Stärken des Homo Sapiens. Es ging und geht bei Menschen primär immer schon um Macht, Dominanz, Vorteilsnahme, Narzissmus, Gewinn und Intrigen, aber auch Kooperation und Vernetzung mit denen, die einem nahestehen oder die einem Vorteile bieten. Nicht umsonst haben wir als Species gelernt, mit der Mimik des Gesichts besonders effektiv zu täuschen. Die Extremitäten sind da deutlich schlechter, weil weniger trainiert. Das Internet und die digitale Welt bieten noch umfassendere Möglichkeiten, die vorgeblich negativen Seiten des Homo Sapiens auszuleben. Diese zeigen sich am ehesten unter Stress und bei Erregung, also in Zeiten wie der Corona-Krise besonders gut.
Es ist bei der Analyse gesellschaftlicher und individueller Phänomene der Gegenwart wichtig, den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Bereichen der Übererregung zu sehen. Dass früher bei der Abfassung eines Briefes per Hand oder Schreibmaschine die Zeit durch das vergleichsweise langsame Schreiben als Korrekturfaktor wirkte, hat sich heute durch die weiter fortschreitende Beschleunigung des Alltags – und auch des Schreibens – entscheidend verändert. Die Schnelligkeit bei Twitter und Co. ist zugleich auch Inkubator und Katalysator für exzessive Emotionen. Das Überschäumende, Ungesteuerte ist gefragter denn je, wird akzeptiert, ja sogar gefördert.
Das Exzessive ist auch die positiv erscheinende Seite der Sucht, in der sich die Sehnsüchte nach Größe und Wichtigkeit ausleben. Das Süchtige beim Exzessiven – das immer Mehr und Öfter – ist aber auch die Quelle und Heimat der Selbst- und Fremdzerstörung. Aus Hyper wird in der Bewertung schnell Hip. In Medien, sozialen Netzwerken, Subgruppen und vielen anderen Kontexten, die das neue Hyper für das Normale halten. Ein Gewöhnungs- und Anpassungseffekt entwickelt sich schleichend, der sich innerhalb einer Generation abschließend vollzogen haben wird. Die digitale Welt stellt das Biotop des Hyperismus dar, der zu einer hinsichtlich aller psychischen Funktionen übererregten Gesellschaft führt.
Die Hyper-Emotion
Soziale Netzwerke eignen sich vorzüglich zum Ausagieren überschießender, unkontrollierter Emotionen. Dadurch ist es möglich, konforme Follower zu finden wie auch nicht konforme „Dissidenten“ weitgehend mundtot zu machen und am Ende sogar zu ächten. Wie dies funktioniert im Folgenden. Was früher in Bezug auf negative Emotionen der Sündenbock oder später der Pranger war, ist heute der „shit-storm“ in den sozialen Netzwerken. Der Weg vom Dissens über den Ärger bis hin zum Hass ist heutzutage viel schneller und kürzer als je zuvor. Und die dann entstehenden ungehemmten Emotionen haben eine ansteckende Wirkung auf einstellungsähnliche Follower, weil sie echt und authentisch wirken.
Ein in der Sozialpsychologie unter dem Begriff der Sozialen Ansteckung gut bekanntes Phänomen, das bei hitzigen Emotionen (wie Ärger, Wut, Hass) viel besser funktioniert als bei kühlen Emotionen (wie Ratlosigkeit, Zweifel, Unsicherheit). Menschen ahmen im Zustand der starken Erregung das Verhalten anderer besonders gerne nach und übertreiben es dann in der anonymen digitalen Welt jeweils noch zusätzlich. So kann es zu sich aufschaukelnden Übertreibungen und Übersteigerungen kommen.
Hyper-Emotionalität begünstigt die emotional Instabilen
Hyper-Emotionalität entwickelt sich vornehmlich mit ganz bestimmten Emotionen, vor allem sind es solche, die sich öffentlich besonders gut darstellen und mitteilen lassen. Dies sind vor allem Wut, Zorn, Ärger, Abscheu, Ekel, Verachtung, die sogenannten Basisemotionen, über die schon Kinder in frühem Alter verfügen. Oft treten diese Emotionen in gemischter Form oder in schneller instabiler Abfolge auf. Und solche heißen Emotionen beeinflussen Sprache und Denken in starker Weise – und dies in der Online-Welt nicht zum Besten.
Begünstigend für Hyper-Emotionalität ist das Wahrnehmungsprinzip der Lebhaftigkeit („vividness“). Der Vividness-Effect beschreibt das Phänomen, dass lebendige, konkrete und bildhafte Informationen deutlich besser aufgenommen, verarbeitet, abgespeichert und erinnert werden als abstrakte Informationen. Konkret vor abstrakt ist aber ein Wahrnehmungsprinzip, das in seiner Ausschließlichkeit der komplexen Welt nicht gerecht wird, sondern das Erregung und Exzessivität begünstigt.
Dies hat zur Folge, dass Personen und Themen, die als besonders emotional wahrgenommen werden, mehr Aufmerksamkeit erhalten und besser im Gedächtnis bleiben als weniger lebhafte, abstrakte Reize. Das Prinzip der besonderen Wirksamkeit lebhafter, emotionaler Reize kommt dem manipulativen Funktionsprinzip sozialer Netzwerke entgegen. Nicht die Rationalität, sondern die Aufgeregtheit hat den größeren Einfluss auf die Wahrnehmenden. Dies führt zur Renaissance der Hysterie im Zeitalter der Digitalisierung.
Die Wiederkehr der Hysterie
Nicht umsonst erinnert übertriebene, stark ausgeprägte Emotionalität an das Phänomen der Hysterie, wie es vor allem Sigmund Freud zu seiner Zeit intensiv beschrieben und erforscht hat. Gemeint waren damit überschießende Emotionen, die willentlich nicht mehr kontrollierbar waren, die Umgebung manipulierten oder schockierten und oft in starken körperlichen Symptomen resultierten. Oft wurde auch angenommen, dass hysterische Personen sich mit ihrem Verhalten in den Mittelpunkt drängten und um Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollten.
Unverkennbar besteht hier eine Nähe zum Narzissmus. Die sozialen Netzwerke bieten heutzutage eine wunderbare Plattform für hysterische und narzisstische Persönlichkeiten. Das Hysterie-Syndrom ist nach Freud mehr und mehr in Verruf geraten, insbesondere wegen der diskriminierenden Bezüge zu Frauen. Zu Recht. Heutzutage können Menschen jeglichen Geschlechts ihren Emotionen wie Neid, Eifersucht, Missgunst und Hass in den sozialen Netzwerken freien Lauf lassen. Die Hysterie ist aus dem Ghetto des Weiblichen schon lange ausgebrochen und betrifft auch mehr Männer als jemals zuvor. Auch ein Resultat der Tendenz zur Androgynie.
„How dare you?“ – Hyperemotion wirkt!
Die enorme Macht der Hyperemotion zeigt sich am Einfluss von Stars der heutigen Polit-Szene wie Greta Thunberg („How dare you?“). Hyperemotionen wie Panik, Existenzangst, Verzweiflung erreichen Menschen zahlreicher und intensiver als Rationalität und Vernunft. Stars der ökologischen Online-Szene mit Qualitäten einer Seherin stellen das Leitbild der Jugend mit 176 Mill. Suchresultaten bei Google und 4.4 Mill. Followern auf Twitter dar. Die Macht der Emotionen ist offensichtlich.
Schon lange ist bekannt, dass sich hochemotionalisierte Botschaften schneller verbreiten als solche ohne hohen Emotionsgehalt. Also: Panik ist wirksamer als Gelassenheit! Übererregung zählt mehr als Vernunft, solange Vernunft nicht gezielt eingesetzt wird. Einst wurde die Wissenschaft erfunden, um hyperemotionalen Effekten, die sich dann als Mythen und Aberglaube verfestigten, entgegenzuwirken. Oft gilt Menschen die eigene Emotionalisierung in Bezug auf ein Thema oder eine Person als Beweis für die Richtigkeit ihrer Bewertung. Dieses Phänomen ist als emotionale Beweisführung in der psychologischen Forschung bekannt. Je stärker etwa ein Feindseligkeits- oder Hassgefühl in Bezug auf abgelehnte Personen ist, desto mehr sind die emotionalisierten Personen von der Richtigkeit ihrer Annahmen überzeugt.
Die Hauptmerkmale der modernen Hysterie lesen sich geradezu wie eine Einladung zu Twitter, Instagram, Tiktok und Co.: Dramatische Selbstdarstellung; theatralisches Auftreten oder übertriebener Ausdruck von Gefühlen; leichte Beeinflussbarkeit durch andere oder durch Ereignisse; oberflächliche, labile Affekte; ständige Suche nach aufregenden Erlebnissen und Aktivitäten, in denen die Betreffenden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen.
Auch Angst und Panik („I want you to panic“) sind inzwischen medial salonfähig. Klimaaktivisten dürfen ganze Zeitungen gestalten. Ihre Nähe zu Verschwörungsmagiern, ihr Hang zum magischen Denken spielt dabei keine Rolle. Auch der latente Hang zur Infantilisierung, der mit magischem Denken einhergeht, ist eher der positive Markenkern denn ein Abschreckungsmerkmal.
An der Sprache sollt Ihr sie erkennen
Wer die „richtigen“, d.h. politisch korrekten, Worte wählt, wird in den jeweiligen dominierenden Netzwerken erkannt, akzeptiert und schnell auch „geliked“. Denn er gibt sich damit als Anhänger der herrschenden Doktrin zu erkennen. Die richtigen Worte müssen gendergerecht, antifaschistisch, antisexistisch, antirassistisch und klimaneutral sein und wenn sie obendrein hyperemotional sind, ist die Wirkung um ein Vielfaches besser.
Die Mehrheit in den sozialen Netzwerken hat in ihrer Selbstwahrnehmung immer recht. Likes und Follower wirken wie demokratische Legitimationen, sind aber manipulative Suggestionen. Eine triviale und infantile – und obendrein gefährliche – Logik! Es ist eine gefühlte Wahrheit in Zeiten der Aufklärungsprokrastination. Die Schuld gegenüber Andersdenkenden durch Hyperemotionalität, die in diesen Kontexten schnell entsteht, ist eine selbst zu verantwortende, da sie den Einsatz der Vernunft mehr und mehr verdrängt. Genauso werden politische Gegner sofort detektiert und isoliert. Sprache dient also – zwar nicht neu, aber radikaler als je zuvor – als Reglementierungs- und Selektionsinstrument.
Vom chronischen Übererregtsein zum tiefen Beleidigtsein
Das chronische Übererregtsein führt dann in einen Zustand des chronischen inneren psychischen Stresses, der empfindlicher für negative Emotionen und Kognitionen macht. Es kommt immer wieder und schließlich dauerhaft zum Beleidigtsein, weil die Welt so ist wie sie ist zum Beispiel, weil es Menschen mit anderen Meinungen und politischen Positionen gibt. Wenn nicht alle narzisstischen und hysterischen Bedürfnisse erfüllt werden, entsteht eine zunächst spontane, dann dauerhafte Kränkung.
Beleidigtsein passiert heutzutage schon, wenn Menschen in den sozialen Netzwerken oder gar der Realität anderer Meinung sind. Die französische Feministin Caroline Fourest hat dieses Phänomen in ihrem Buch „Generation beleidigt“ eindrücklich dargestellt. Der Untertitel des Buches „Von der Sprachpolizei zur Gedankenpolizei – Über den wachsenden Einfluss linker Identitärer“ macht klar, um was es im Kern geht: Dass die extremen Linken durch die hochemotionalisierten Strategien in den sozialen Netzwerken mehr und mehr die Kontrolle über die Debatten in den sozialen Netzwerken gewinnen. Die politische Korrektheit der vermeintlich Fortschrittlichen, die einmal dazu geeignet war, freiheitsbedrohende Missstände aufzuzeigen, wird schon seit vielen Jahren ihrem Gegenbild, der inquisitorischen, freiheitsbedrohenden Gewalt und Einschüchterung der feudalistischen oder faschistischen Diktatoren in ihrer Rigidität und Intoleranz immer ähnlicher und taugt im Grunde nur noch zur satirereifen Karikatur.
Reife, abgeklärte, gelassene Menschen hingegen benutzen die Hyperemotion nicht standardmäßig in ihren Interaktionen und werden dadurch im erregten Diskurs schnell als langweilig und in der Folge als unwichtig wahrgenommen. Ein besonders kritischer Aspekt der Welt der sozialen Netzwerke!
Es geht am Ende fast immer um den Ausschluss und die Ächtung unliebsamer Gruppen und Personen. Die Mitglieder der sich entwickelten Lager sind im Zustand der Dauererregung und des andauernden Beleidigtseins daher nicht adäquat kommunikationsfähig, möglicherweise waren es einige noch nie. Und sie infiltrieren und infizieren andere mit ihrer Botschaft: Intoleranz, Hass, Ächtung. Auf diese Weise erodieren die gesellschaftlichen Konventionen immer weiter.
Platz da für Hysterie und Narzissmus!
Man kann dies durchaus als neue Sozialisationsform begreifen, die den Boden für einen nie gekannten Narzissmus und die Wiederkehr der Hysterie bereitet. Die Hyper-Emotion als Form chronischer Erregtheit in den sozialen Netzwerken schafft einen neuen Bezug zum Ich und zu anderen, ganz anders als dies Martin Buber wollte. Am Ende dreht sich alles nur noch um sich selbst, die eigene Meinung, die ausschließlich unterstützenden Meinungen anderer, über die das Ich sich hysterisch freut. Die abweichenden Meinungen anderer werden als Angriff und Provokation empfunden und führen zum narzisstischen Beleidigtsein.
Es ist wie ein nie endender Tanz um das eigene Ego, das die Qualität eines goldenen Kalbes erhält. Gefühlt war es schon immer Mittelpunkt der Welt, wird es nun aber die einzig akzeptierte Welt. Tendenziell hatten Menschen diese Tendenzen schon immer und sie sind die Grundlage sozialer Beziehungen. Das entscheidend Neue ist das Phänomen, dass das Ich in den sozialen Netzwerken immer wieder auf abweichende Meinungen und die vermeintlich dahinterstehenden „missliebigen“ Personen trifft. Man kann seinen Gegnern also nicht mehr entgehen, es sei denn man begibt sich in die 100%-ige Filterblase, was allerdings allzu oft zur Lösung wird und hilft, das eigene immer rigider werdende Weltbild zu erhalten.
Das Löschen, Canceln, Blocken wird so zum Akt der subjektiven Gerechtigkeit, die den Diskurs und die lästige Debatte ersetzt. Die subjektive Welt lädt sich emotional immer stärker auf. Am Ende steht der Triumpf der Hyper-Emotion. Wer am meisten Gefühl zeigt, gewinnt. Denn der Bauch kann sich nicht irren, heißt die unvernünftige, antiaufklärerische Leitidee. Hier liegt das Problem wieder in den Extremen: Völlig emotional aufgeladene Widersacher und Feinde, denen mit der Killer-Mentalität aus Star Wars oder Ego-Shooter-Spielen begegnet wird, oder völlig heile Scheinwelt, die nur aus Freunden und Unterstützern besteht. So entstehen und verfestigen sich hysterische oder narzisstische Persönlichkeiten!
Die Hyper-Moral
Es handelt sich bei der Übererregtheit aber nicht um einen rein emotionalen intrapsychischen Effekt, sondern ein komplexes psychologisches Gesamtgeschehen. Ganz wichtig dabei sind auch die hypermoralischen inneren Haltungen, die zu Beleidigtsein, Feindseligkeit und Hass führen. Die beliebtesten hypermoralischen Haltungen beziehen sich heutzutage auf antisexistischen, antirassistischen und profeministischen Einstellungen, vermischt mit ökologischen und linksextremen Ideen. Das Ganze bildet eine Melange aus selbstimmunisierenden Ideologien, weil niemand gegen Rassismus, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit usw. eingestellt sein kann. Dabei geht es in Wahrheit nicht um die Einstellungen, sondern die Ausdrucksformen der Haltungen.
Sich moralisch über andere zu erheben, ihnen Fehlverhalten nachzuweisen und vorzuhalten, hat als menschliches Verhalten eine lange Geschichte. Daher kommt wohl das biblische Gleichnis vom Balken im eigenen Auge oder das spätere Bild vom im Glashaus sitzenden Steinewerfer. Das Prinzip des Moralisierens besteht im Kern darin, einer anderen, vermeintlich moralisch minderwertigeren Person Fehlverhalten vorzuwerfen, um sie in einen lähmenden Schuldreflex zu bringen. Für den moralisch Höherstehenden bringt das Moralisieren die Lust an der Empörung der Fehler des Anderen. Und seitdem Empörung breitflächig und zeitnah möglich ist, hat das Phänomen mehr als stark zugenommen.
Es ist die Waffe der Hysteriker und Moralinliebhaber schlechthin, sich über andere zu empören und sich damit selbst zu erhöhen und unangreifbar zu machen. Die Empörung kann individuell oder – was noch wirksamer ist – im Kollektiv einer gut organisierten Online-Gemeinschaft geschehen. Historisch liegen für solche hypermoralischen Exzesse viele Beispiele vor: Das Pharisäertum, die Wiedertäufer, die Inquisition, die Jakobiner sind einige wenige. Gerade weil sie in historisch und sozial sehr unterschiedlichen Kontexten entstanden sind, zeigen die Verhaltensanalogien des sich moralisch Überhöhens, der Erniedrigung der anders Denkenden und der realen, materiellen oder ideellen Zerstörung ihrer Existenz ein durchgängiges Verhaltensmuster, der Fähigkeit zum gewalttätigen, hyperemotionalen Fanatismus. Die Gewalttaten unter Hypermoral sprechen das emotionale System des Menschen, das limbische System, in vielfältiger, meist automatisierter Weise an.
Hypermoral erobert Sprache und Denken
Die postmodernen Hypermoralisten bedienen sich einer totalen Sprachreglementierung, verbreiten Angst und Furcht und zerstören mit ihrem fanatischen Gebaren ideelle, materielle und soziale Existenzen. Die aktuellen oder noch sehr frischen Kampagnen wie #metoo, BLM, FFF usw. haben alle einerseits den Anspruch, für Gerechtigkeit zu sorgen, was ihnen den Mythos der Unangreifbarkeit verleiht. Sie geraten dann nach einem zielgenauen Beginn schnell außer Kontrolle, verallgemeinern ihre Botschaften und Zielgruppen und gleiten ins Fanatische und Inflationäre ab.
Bei BLM hat sich der Prozess schnell auf alle Weißen als potentielle Rassisten und Privilegienträger verlagert und erzeugt gruppenbezogenen Hass und neuerliche Diskriminierung. Das hysterische Hypermoralisieren entwickelt sich dann ins Exzessive und Irrationale. Und zwar so sehr, dass Männern ihr Geschlecht zum Vorwurf gemacht wird, Weißen ihre Hautfarbe, Cis-Sexuellen ihre heteronormative Sexualität usw.
Es ist stets dasselbe Muster: Eine Minderheit wehrt sich anfangs gerechterweise und am Ende erfolgreich gegen Diskriminierung und Stigmatisierung, meist an einem oder wenigen Einzelfällen festgemacht, die Schuldzuweisungen gegen die Mehrheitsgruppe geraten nach und nach inflationär außer Kontrolle, es werden irrationale Begründungen für die zu übernehmende Schuld formuliert und oft wiederholt, bis alleine aufgrund des Truth-Effekts (wiederholte Behauptungen werden eher als wahr angesehen) eine große Zahl von Personen an den „Wahrheitsgehalt“ der unzulässigen Generalisierungen glaubt und sich dies bei ihnen kognitiv verfestigt, fast eingebrannt, hat. So entstehen neue, veränderungsresistente Haltungen voller Hass und Diskriminierung, die mit denselben Mechanismen funktionieren, die ursprünglich kritisiert und bekämpft wurden. Die Critical Race Theory (CRT) erzeugt längst neuen, „inversen“ Rassismus (gegen die vermeintlichen Machtgruppen) und verleugnet dies natürlich zugleich.
Hypermoral erzeugt Konformismus und Opportunismus
Die andauernde Formulierung hypermoralisch-absurder Positionen zwingt Menschen in übermäßige Anpassung, einen freiheitsunterdrückenden Konformismus oder – in wenigen Fällen – in den Widerstand. Am Anfang steht die sprachpolitische Disziplinierung durch politische Korrektheit, dann folgen rigide Ideologien und Ächtung Andersdenkender. Was früher Inquisition und peinliche Verhöre waren, sind heute Shit-Storm und Deplatforming in den sozialen Netzwerken des Internets. Die Marter der Seele zählt heutzutage mehr als die des Körpers, frei nach Michel Foucault, aber sie geht viel weiter, als es je der Fall war. 1984 und Matrix waren gestern. Heute entsteht eine unlegitimierte, hypermoralische Herrschaftsclique in den sozialen Netzwerken, die unabsehbaren Einfluss auf die Generation der jetzigen und kommenden Jugendlichen ausübt.
Heutzutage erlangen wenige, in keiner Weise legitimierten Meinungsführern und –machern insbesondere in der digitalen Welt eine ungeheure Manipulationsmacht über die Mehrheit, die in die Rolle williger Schafe gerät. Diese Manipulation geschieht mit hyperemotionalen und hypermoralischen Methoden.
Am Ende führt diese Hypermoral, die vorgeblich im Namen des Anti-Rassismus, Anti-Faschismus und Anti-Sexismus geschieht, selbst zur totalitären Bewegung. Auf jeden Fall bringt sie ein enormes Ausmaß an Konformismus und einen Mangel an Zivilcourage hervor, wie dies in Zeiten der Unfreiheit immer wieder der Fall ist. Die klassischen Gehorsamkeits- und Konformitätsexperimente von Solomon Ash, Stanley Milgram und Philip Zimbardo in den 1960-er Jahren haben bereits gezeigt, dass höchstens ein Viertel der Menschen zu einer nennenswerten Form der Zivilcourage bereit und fähig ist. Und wenn Menschen heutzutage zivilcouragiert Widerstand gegen hypermoralischen und hyperemotionale Bedrohungen leisten, bringt sie dies selbst unter Stress und in die Gefahr sozialer Exklusion und Ächtung.
Die Bereitschaft, sich soziale oder finanzielle Nachteile einzuhandeln, ist bei der Mehrzahl der Menschen gering. Dies ist die realistische und traurige Wahrheit der Sozialpsychologie des Gehorsams. Auf empirischer Basis muss man davon realisitischerweise davon ausgehen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung so konformistisch ist, dass sie nicht gegen eine dominierende Meinung vorgeht, selbst wenn sie innerlich nicht mit ihr übereinstimmen. Dies erklärt auch weitgehend das Phänomen, warum gerade heutzutage immer mehr Menschen die Haltung teilen, dass sie ihre Gedanken nicht mehr preisgeben können bzw. dürfen, dass es also eine stille, subtile Zensur in der Gesellschaft gibt.
Kritische Bezeichnungen werden zu Alltagsschimpfwörtern
Die Hypermoralismusproduzenten werden nicht müde, immer neue Personengruppen, die sich ihrer Meinung nach nicht ungenehm oder unpassend äußern, mit Klischees zu diffamieren. Rassisten, Faschisten, Nazis, Sexisten, Antisemiten, Antifeministen usw. sind längst pauschale Verurteilungs- und Ächtungsvokabeln für alle und jeden geworden, die der identitären Linken nicht genehm sind. Es ist stets dasselbe Blaming, das benutzt wird und immer wieder fallen große Teile der Medien und Politik darauf herein. Es handelt sich dann um die nicht umsonst als „Keule“ bezeichnete Strategie, unliebsame Gegner pauschal zu diffamieren, fast wahlweise mit der Nazi-Keule, der Rassismus-Keule, der Sexismus-Keule usw.
Im Grunde eine infantile Strategie der Etikettierung mit beliebigen negativen Klischees. Für Journalisten und Politiker, die das Muster nicht durchschauen, eine „echte Wahrheit“. Mit der hypermoralistischen Strategie verlieren die ursprünglich sehr treffgenauen Bezeichnungen ihren identifizierenden Wert und mutieren zu diskriminierenden Zeitgeiststigmatisierungen für missliebige Zeitgenossen. Mit anderen Worten: Kategorien wie Nazi, Fascho, Sexist usw. werden zu Alltagsschimpfwörtern, ohne jeweils noch das eigentlich gesellschaftlich zu benennende Problem korrekt zu identifizieren.
Wenn alle Konservativen und zunehmend auch Liberale nunmehr Nazis sind, wenn alle wertkonservativen Menschen auf einmal Faschisten sind, ist das ein Missbrauch politischer Vokabeln, die tatsächlich extremistische Meinungen bezeichnen sollten. Trendige Journalisten, die etwas von den hippen Identitären imitieren wollen, verbreiten deren Pauschalisierungen allzu gerne weiter, reden in der pauschalierenden Sprache der jeweiligen „kritischen Bewegung“ und machen sich wenig Gedanken darüber, was das alles zu bedeuten haben könnte und wessen Lied sie damit singen.
Linksidentitärer Wein in alten Schläuchen – ein Anti-Aufklärungsprogramm
Es ist hochgradig hypermoralisch und infantil zugleich, vorzugeben Rassismus zu bekämpfen, sein gelerntes Sprüchlein aufzusagen, dass es Rassismus gegen Weiße nicht gäbe und dann die Welt in Schwarze und Weiße aufzuteilen, damit in Gute und Böse, in solche mit und ohne die Erbsünde von Privilegien, nur um aufzuzeigen, dass die eigene reale oder erträumte Identität jeweils die Beste und eigentlich einzig akzeptable ist. Warum haben dann so vermeintlich fortschrittliche Gruppierungen wie die Grünen und die Linken nicht längst Vorsitzende, die Migrantinnen und People of Color sind?
Es gibt bei den linksidentitären Gruppierungen erhebliche Glaubwürdigkeitsprobleme, die es aufzuzeigen gilt, um diese hyermoralische Welt zu entzaubern. Wie glaubwürdig sind deren Parolen in der Anwendung auf sich selbst? Wenn sie so viel Platz haben, wie viele von ihnen haben Flüchtlinge bei sich aufgenommen und teilen mit ihnen Küche und Wohnraum? Vermutlich endet genau dort die Hypermoral. Wenn die wohlfeilen fortschrittlichen Lippenbekenntnisse alles sind, was vom Kampf gegen Rassendiskriminierung und für Gleichheit geblieben ist, dann ist dieses Resultat dürftig und gefährlich zugleich. Dürftig, weil die intellektuelle Flughöhe sehr erniedrigt ist, und gefährlich, weil die neuerdings diskriminierten Gruppen sich dies auf Dauer nicht werden gefallen lassen und es Radikalisierung weiter befördert.
Das offenkundig beschränkte identitätspolitische Denken, das aber ein hyperemotionales und hypermoralisches Wohlgefühl erzeugt, beschränkt die Vernunft des klaren Denkens und läuft jeglichen Ideen der Aufklärung zuwider. Es kann nicht um die Erzeugung neuerlicher Diskriminierung und Unmündigkeit gehen, sondern um die Freiheit für jeden einzelnen und für alle zugleich. Das Programm der linksidentitären Bewegung ist alter Wein in neuen Schläuchen. Wer soll eines Tages die vielen jetzt generierten Verirrten und Verwirrten wieder einsammeln und intellektuell zur Vernunft, wenn der Rausch des Identitären, der neuen Zugehörigkeiten, vergangen sein wird? Es wird einer großen Anstrengung einer Aufklärung 2.0, 3.0, 4.0 usw. bedürfen.
Die poststrukturalistische Erbsünde, ein Weißer zu sein
Rassismus, Sexismus und Antifaschismus, die berechtigten sozialen Bewegungen entspringen, haben sich inzwischen in grob pauschalisierende Framing- und Labeling-Kampagnen verwandelt, um unliebsame Gegner zu immunisieren, mundtot zu machen und an den moralischen Pranger zu stellen. Wenn eine Person in einen negativen Kontext mit diesen Kampagnen gerückt werden kann, ist ihr mediale Ächtung durch Framing sicher. Das Beste, was den neuen Hypermoralisten passieren kann, ist, dass schuldbewusste Weiße in ihre Moralinfalle tappen und dann schuldbewusst um Verzeihung bitten. Weiße, die angeblich niemals einen Rassismus erfahren können (Kenntnisse in japanischer, chinesischer oder arabischer Geschichte würden hier helfen!), werden qua Geburt zu Trägern einer Erbsünde, die aus ihrer Hautfarbe und der Geschichte ihrer Vorfahren besteht. Dass dies alles Ausdruck irrationalen Aberglaubens und quasireligiöser Heilslehren ist, sollte aufklärerisch jedes Mal angemerkt werden.
Mit Hypermoral lässt sich bigott sein
Die mit den Mitteln der sozialen Netzwerke und der dort blühenden politischen Korrektheitsrituale sich selbst erzeugenden hypermoralischen Ikonen verbreiten eine hypermoralische Bigotterie bislang nicht gekannten Ausmaßes. Dieser Mechanismus bietet ehemals Geächteten die einmalige Gelegenheit, sich moral reinzuwaschen. Dies betrifft in der aktuellen historischen Situation besonders ehemalige oder aktuelle Kommunisten. Durch die Inbesitzahme der Themen Feminismus, Sexismus, Rassismus und Ökologie können sie sich moralisch „erneuern“ und gleichzeitig Bündnisse mit anderen gesellschaftlichen Kräften schließen.
Ein Beispiel: Eine ehemalige IM des DDR-Staatssicherheitsdienstes, die sich nicht selbst „enttarnt“ hat, sondern erst 2002 entdeckt wurde, hat sich inzwischen zur Chefin einer Flüchtlings-Gedenkstiftung emporgearbeitet, welche sogar den Öffentlich-Rechtlichen Medien unüberprüft übernommene Stichwörter zur vorgeblichen Definition von Rassismus liefert. Das ZDF übernahm im Juli 2020 diese Sichtweise, wie Rassismus zu definieren sei, ungefiltert in seinen Veröffentlichungen. Es scheint so, also ob man sich mit Hypermoral wie von Zauberhand absolut reinwaschen kann, wenn man nur auf der jeweils vermeintlich richtigen Seite steht.
Das war in diesem Fall früher die extreme Linke als Staatspartei und ist heute wieder die extreme Linke als staatstragende Bewegung. Dass dabei die Projektion des Hypermoralischen dazu dient, eigene Schuld und Verantwortung nicht zu spüren und auf andere abzulenken, ist ein allzu deutlicher Wirkmechanismus. Wenn ich mich als antirassistische Ikone inszeniere, brauche ich selbst keine Verantwortung mehr für mein Tun zu tragen, was auch immer es gewesen sei. Dies ist im Kern das Symptom der Bigotterie oder mit anderen Worten der Scheinheiligkeit. In diesem Fall mit den quasireligiösen Elementen des richtigen Wertekanons.
Die überblähte Digitalgesellschaft
Das hyperaktive Verhalten, im Folgenden zur Abgrenzung vom Krankheitsbild der Hyperaktivität (ADHS) Hyper-Aktivismus oder verkürzt Hyperismus genannt, ist die zwangsläufige Folge von Hyperemotion und Hypermoral. Gemeint ist hier nicht das Krankheitsbild der ADHS, obwohl dies am Rande auch betroffen sein kann. Bei ADHS verhalten sich Menschen hyperaktiv, weil sie nicht anders können. Beim Hyperismus sind nun Menschen gemeint, die sich vor dem Hintergrund von Hyperemotionen und Hypermoral hyperaktiv verhalten, weil sie es so wollen und sie sich damit Vorteile, Macht und Einfluss zu verschaffen erhoffen.
Wenn Menschen aufgrund überschießender, nicht regulierter Emotionen auch im Verhalten über Grenzen gehen, indem sie etwa vorschnell feindselige, abwertende oder intolerante Äußerungen von sich geben, erfüllt dies das Kriterium des Hyper-Aktivismus. Bei dieser Art des überschießenden Verhaltens gehen Menschen immer wieder an oder über Grenzen. Soziale Konventionen werden dabei in der distanzierten Online-Welt verletzt und dauerhaft außer Kraft gesetzt, die bislang für sozialen Frieden sorgten. Dieses sozial auffällige Verhalten kann als „Testing the limits“-Strategie beschrieben werden, eine infantile Verhaltensstrategie, bei der es darum geht, die eigenen Grenzen immer weiter auszureizen, bis eine Blockade erfolgt. Falls dies nicht erfolgt, entwickelt sich oft egozentrisches, unempathisches Verhalten. Da sich viele Personen nur noch in ihren Filterblasen bewegen, erfolgt diese soziale Reglementierung nicht mehr und die Hyperismus-Tendenzen können sich immer mehr aufblähen.
Die hyperistisch aufgeblähte Gesellschaft
Das alles führt zu einer unbalancierten, sich überdehnenden exzessiven Blähgesellschaft. Die heutzutage oft geäußerte Ansicht, dass viele Menschen sich nicht mehr trauen, ihre „wahre“ Meinung in der realen Welt offen zu äußern, ist das zwangsläufige Resultat dieses Gesellschaftsprozesses, der auf Andersdenkende einschüchternd wirkt und Angst verbreitet. Menschen lernen, dass sie ihre ureigenste Meinung nur noch in den geschützten Filterblasen oder – wenn sie digital unerfahren sind – gar nicht mehr äußern dürfen, wenn die nicht attackiert oder gar sozial zerstört werden wollen. Daher verschließt sich dieses Phänomen klassischen demoskopischen Methoden.
Die Diversifizierung der Gesellschaft in einander ausschließende („disjunkte“) Subgruppen hat beängstigende Formen angenommen. Diese konkurrieren nicht mehr im demokratischen Diskurs miteinander, sondern bekämpfen sich und stehen sich zunehmend feindselig gegenüber. Diversität ist inzwischen hier keine bunte Vielfalt, sondern beängstigende Spaltung.
Überhitzte Gesellschaftsdebatten
Die immer heftiger werdenden, unregulierten Konflikte zwischen gesellschaftlichen Gruppen stärken die Extreme und schwächen die gesellschaftliche Mitte. Es sind im Grunde dialektische Phänomene, die einer Lösung und Regulierung harren: Je weiter eine Subgruppe sich nach links bewegt, desto mehr rückt und verhärtet sich eine andere Subgruppe auf der Rechten. „Wie Du links, so ich rechts“ oder umgekehrt. Die gesellschaftlich extremen Kräfte beider Seiten müssen eingehegt und normalisiert oder – am Ende, wenn dies keinen Erfolg bringt – bekämpft werden.
Antifaschistisch zu sein ist wichtig, aber zu wenig, wenn auch nicht antikommunistische Extremitätsphänomene bekämpft werden. Es ist wie mit der einäugigen Blindheit, die nicht sein darf. Mit beiden Augen muss scharf gesehen werden. Am langen Ende bringt die Vernachlässigung von Radikalisierungsphänomenen auf einer gesellschaftlichen Seite verstärkte Probleme auf der anderen Seite. Klare Kante gegen Rechtsextreme ist sinnlos, wenn sie nicht auch gegen Linksextreme praktiziert wird. Beide Seiten bekämpfen die gesellschaftliche Stabilität und demokratische Integrität. Das ist die Lehre von Weimar, die gerade Deutschland gelernt haben sollte.
Psychologisch gesehen müssen exzessive Tendenzen im Umgang mit Stimulantien genauso eingedämmt werden wie solche mit Betäubungsmitteln, um ein Bild aus der Suchttherapie zu verwenden. Oder um es in anderen Bild auszudrücken: Radikalfeministische Tendenzen, die gruppenbezogenen Hass gegen Männer propagieren, müssen genauso tabuisiert und bekämpft werden wie radikale maskulistische Tendenzen, die Misogynie propagieren. Auch hier ist es so: Während die extremen Linken inzwischen gesellschaftlich schleichend salonfähig geworden sind, ist es der radikale, männerhassende Feminismus genauso. Übererregte Geschlechterdebatten mit dem Status gesellschaftlicher Normalität gehören ebenfalls zur gespaltenen, letztlich inhumanen Gesellschaft, in der Zuhören im Internet selten und Verstehen noch seltener geworden ist. Was dabei zunehmend auf der Strecke bleibt, ist die gesellschaftliche Mitte. Und dies wird sich in den nächsten Jahren für die Stabilität des Ganzen rächen.
Deshalb muss die gesellschaftliche Mitte aus der Komfortzone herauskommen und ihre Meinungen deutlich artikulieren gegen hyperemotionale und hypermoralische Tendenzen. Jetzt ist es das Ergebnis langer Untätigkeit der Mitte, was als Aufgabe wartet. Bei noch längerem Zuwarten ist es wie mit der Pandemie: Sie wird noch größer und schrecklicher!
Hyperismus erzeugt Ausgrenzung und Ächtung
Das Prinzip mit dem Hyperismus in den sozialen Netzwerken ist immer gleich: Eine Ungerechtigkeitserzählung wird durch Skandalisierung und Hyperemotion zunächst punktuell, dann mit Hilfe der digitalen und später auch klassischen Massenmedien massenhaft ins Bewusstsein des Publikums gebracht. Inzwischen haben linksidentitäre Aktivisten die Kontrolle über die Meinungsbildung und -verbreitung übernommen und radikalisieren die Ursprungsidee mit ihren hypermoralischen und hyperemotionalen Methoden.
Das konsumierende Massenpublikum übernimmt aus Angst- und Schuldgefühlen die hyperistischen Narrative der Linksidentitären, die sich dann als Reaktion der sozialen Ansteckung schneeballartig weiterverbreiten. Hyperemotionalisierte und oft wiederholte Botschaften erhalten immer mehr Glaubwürdigkeit bei den Rezipienten (aufgrund von Framing- und Truth-Effekten). Die Massen werden durch die spezifischen Wirkmechanismen der digitalen sozialen Netzwerke als Mittel ihrer eigenen Indoktrination und Manipulation benutzt. Die Ursprungsbotschaften verändern sich dabei wie Mutationen einer DNA. Die kommunikativen Mutanten werden immer gröber, diffuser, emotionaler und dadurch auch glaubwürdiger und infektiöser.
In der digitalen Welt ist es um ein Vielfaches leichter geworden, mit emotionalem oder moralischem Druck andere Menschen zu manipulieren und Andersdenkende zu ächten, auszuschließen, zu verunglimpfen oder ihnen welche hyperaktive Verhalten auch immer zuteilwerden zu lassen. Die digitale Folter schmerzt „nur“ psychisch, dafür aber umso nachhaltiger. Eine einmal verunglimpfte Person hat kaum je mehr die Chance auf erneute Teilhabe an der digitalen oder realen Welt, wenn sie durch die Hyperismus Aktivitäten der identitätspolitischen Moralpolizei gebrandmarkt worden ist.
Die Folgen des Hyperismus in der Debattenkultur
In der Folge der politischen Korrektheit entwickelten sich hyperaktive und hypermoralische Praktiken, mit denen der Diskurs gegen Andersdenkende beherrscht und zugleich verschärft wurde. Genau genommen handelt es sich um keinen Diskurs mehr, eher um einen Vernichtungsfeldzug. Dieser heißt Cancel Culture (CC) und zielt auf die mentalistische Vernichtung kritischer Meinungen und damit die Zerstörung jeglicher freiheitlicher Debattenkultur. Am Ende steht das Unsichtbarmachen, Ächten und Zerstören Andersdenkender.
Das Ziel der CC ist das Unsichtbarmachen der politischen und ideologischen Gegner. Und ganz im Sinne der Pippi-Langstrumpf-Attitüde „Ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt“ bzw. der sozialen Kognition des Bestätigungsfehlers funktioniert dies dann auch noch. Die symbolische Eliminierung der ungewollten Repräsentanten der anderen Meinung ist das gefährliche Prinzip dieses zutiefst undemokratischen Vorgehens. Ein Prinzip, was Personen, die sich als Opfer – auch als Opferanwälte für andere Opfer – gerieren, sehr gerne mögen, vor allem weil es ihnen emotionale Genugtuung (via Hyperemotion) und einen symbolischen Sieg über das vermeintlich Böse (via Hypermoral) einbringt.
Der ideologische Gegner soll unsichtbar gemacht und zerstört werden
Am Ende steht dann das Deplatforming: bekämpfte Personen anderer Meinung verlieren die Möglichkeit, sich in relevantem Maße zu artikulieren und werden aus den öffentlichen Debatten weitgehend entfernt. Das Unsichtbarmachen als postmoderne Form der Verbannung entspringt einem frühkindlichen Mechanismus, dass das Verschwinden eines Objekts aus dem Blick- und Wahrnehmungsfeld den Eindruck vermittelt, das Objekt (die Person) sei nicht mehr da (Objektkonstanz). Über den Prozess der Cancel Culture steuern die latent Mächtigen in Politik und Medien, wer reden darf und wer nicht. Der Ächtungsprozess wird mit den Mitteln der Hyper-Emotion und Hyper-Moral und bei Bedarf auch mit Hyper-Aktivität gesteuert. So erledigt der Hyperismus seine selbst definierten Feinde mit den Mitteln der sozialen Manipulation und Exklusion.
Ein paar Figuren werden übriggelassen, um scheinheilig argumentieren zu können, es gäbe ja keine Cancel Culture. Die wirklich gefährlichen Gegner werden in den relevanten Massenmedien ohne Ende totgeschwiegen. Sie sind nicht mehr nur „umstritten“, sondern in der nächsten hypermoralisch gezündeten Stufe werden ihre Namen und noch mehr ihre Argumente unaussprechlich, unsagbar und dann bald unsäglich. Wie in früheren infektiösen Pandemien werden sie zu Unberührbaren. Zuerst digital und dann real. Ihre Identität und nicht selten auch Existenz werden so zerstört. Die alten Grausamkeiten der Inquisition sind in neuer, perfektionierter, kafkaesk aufgeladener Form zurück. Ihre Namen auszusprechen – so die latent vermittelte Angst – bringt Unglück und führt zur eigenen Exklusion. Eine Pandemiegefahr für digitale und späterhin reale Ächtung.
Es werden, ohne dass es der Mehrzahl der Beobachter auffällt, so allzu schnell Brandmale als Zeichen der Ächtung verteilt, und zwar von Leuten, die sich sonst gegen jegliche Stigmatisierungen in Gesellschaft wehren und sich bestimmt auch für antirassistisch, antisexistisch und antifaschistisch gerieren, einfach schon weil das heutzutage zum guten Ton gehört, und nicht weil sie diese Gesellschaftsphänomene durchschaut hätten. Sonst würden sie merken, dass sie das mit anderen („den Schuldigen“) tun, was sie selbst in Bezug auf wiederum andere („die Unschuldigen“) scheinbar verabscheuen.
So etwas nennt man tiefenpsychologisch auch Spaltung. Es gibt dabei immer Gute und Schlechte und es fehlt der Ausgleich zwischen den Extremen. Die Schwarzen sind heutzutage die geborenen Guten, die Weißen sind die geborenen Bösen mit dem Makel einer Art Erbsünde, nämlich weiß und damit automatisch privilegiert und rassistisch zu sein. So einfach geht diese infantile, hyperemotionale und hypermoralische „Logik“. Die besondere weitergehende Gefahr bei den Cancel Culture-Prozessen ist, dass kontaminierte Personen, die in Kontakt mir bereits Geächteten waren, selbst geächtet werden, einfach nur weil sie es wagten, dass implizite Kontaktverbot zu den Geächteten zu brechen. Es handelt sich um das alte Prinzip, wie „Aussätzige“ geschaffen werden. Kontakt mit gesellschaftlich Aussätzigen führt zu präventiver Sippenhaft und projektiver Quarantäne.
Wenn ich dabei nur zur richtigen Subgruppe der Hypermoralisten und Hyperemotionalen gehöre, kann ich mir heutzutage alles erlauben und komme dafür bisweilen noch ins Öffentlich-Rechtliche Fernsehen. Auch gruppenbezogenen Menschenhass, z.B. auf weiße alte Männer, kann man so ausagieren. Das psychologisches Prinzip dahinter: Verschiebung und Umlenkung von unreifen Emotionen auf beliebige andere Gruppen.
Wege aus der Hyperismus-Falle
Die dargestellte Entwicklung zum Hyperismus, bestehend aus Hyper-Emotion, Hyper-Moral und Hyper-Aktivität, wird begleitet durch kognitive Fehlwahrnehmungen und –entscheidungen, die vor allem in den sozialen Netzwerken schnell geschehen. Der soziale Sprengstoff durch Hyperismus ist enorm.
Der Hyperismus braucht eine gegenregulatorische Steuerung
Die drei Effekte der Übererregung im postmodernen Alltag (Hyper-Moral, Hyper-Emotion und Hyper-Aktivität) kombinieren und potenzieren sich immer mehr. Die Online-Welt ist das Laboratorium, um diese Prozesse dann späterhin weitgehend in den analogen Alltag zu transferieren. Das übererregte Verhalten konnte sich in den letzten Jahren inflationär ausbreiten, weil die gegenregulatorische Steuerung weitgehend fehlte. Medien, Intellektuelle und Politiker haben es toleriert und bisweilen sogar gefördert, dass erregte Akteure und oft auch Gruppierungen ohne Widerspruch die Meinungsführerschaft im Land übernahmen.
Im Hintergrund standen falsche Toleranz, Gleichgültigkeit, laissez-faire-Haltungen Pate oder die Meinungsführerschaft wurde vom linksidentitären Milieu selbst proaktiv betrieben. Es ist kaum zu sagen, ob das feige Wegducken großer Teile der Eliten oder die agitierenden Hysterikerinnen und Hysteriker das größere Problem für Kultur und Gesellschaft sind. Viele Linke und Liberale sind inzwischen intellektuell heimatlos geworden. Die Verschiebung von Werten und Normen – was früher behäbig, aber gesund konservativ war – wird heute als rechts, populistisch oder fascho etikettiert. Dies sollte ein Weckruf für die politische Kultur der Mitte und der Freiheit im Lande sein.
Therapie des Hyperismus?
Nimmt der Prozess des Hyperismus in der Gesellschaft insgesamt und den sozialen Netzwerken im Besonderen weiter zu, wird bald die Frage sein, wie die Verwirrten und Verirrten in der Gesellschaft aufgesammelt und ihnen wieder eine realistische Orientierung nahegebracht werden soll.
Eine Therapie des Hyperismus muss konzertiert auf gesellschaftlicher und individueller Ebene stattfinden. Gesellschaftlich müssen nicht Modelle des Main-Stream-Zeitgeistes für ihren Extremismus belohnt, sondern Modelle der zivilcouragierten Mitte wider den Zeitgeist gefördert werden.
Mentalistisch müsste die Philosophie und Haltung des Stoizismus, ruhender Stein in der Brandung, Bewunderung und Förderung finden. Die Idee des Stoizismus führt durch Ruhe und Gelassenheit zu innerer Ausgeglichenheit und Belastbarkeit. Der Stoizismus ist dadurch auch eine geeignete Methode zur Emotionsregulation, gerade bei exzessiv überschießenden negativen Emotionen. Shit-storms in den sozialen Netzwerken müssen mit stoischer Ruhe ignoriert und überstanden werden. Gerade ungeübten Bloggern (wie DFG und Ministerien), die die Welt der sozialen Netzwerke offenbar mit den Zuständen in der realen Welt identisch sehen, täte mehr Gelassenheit und Beharrungsvermögen gut. Ein Shitstorm heutzutage darf nicht die Wirkung wie ein Ukas zu zaristischer Zeit entfalten. Institutionsvertreter von Medien und Verbänden sollten mehr Online-Resilienz aufweisen als dies bisher der Fall zu sein scheint. Am langen Ende sollte Stoizismus Schulfach werden, damit eine große Zahl von Kindern endlich gepflegt denken und handeln lernt.
Woher soll die Gegenregulation kommen?
Wie kann der Hyperismus in der Gesellschaft eingeschränkt und reguliert werden? Prinzipiell kann eine Kontrolle von außen oder innen kommen. Von außen bedeutet durch gesellschaftliche Steuerungsprozesse, Regulation der sozialen Netzwerke, durch Sanktionen, Verbote, kurz durch negative Konsequenzen auf der einen oder durch Anreize für geeignetes Verhalten auf der anderen Seite. Langfristig ist die Entwicklung selbstgesteuerter Kontrollprozesse vorzuziehen. Wenn jedoch alleine schon die Motivation hierzu aufgrund mangelnder Problemeinsicht fehlt, kann wenig Selbstkontrolle entstehen. Grundsätzlich sind Selbstkontrolle und Selbstregulation erlernbar. Je mehr sich eine Gesellschaft jedoch dem Exzessiven und den Suchttendenzen hingibt, desto schwieriger wird es mit der Praxis der Selbstregulation. Dies gilt auch und gerade für digitale Netzwerke. Mögliche Kontexte zum Erlernen sind Familie und Bildungswesen, aber auch entsprechende Peer-Gruppen.
Die Stimmen der verschiedenen Gesellschaftsgruppen müssen in den öffentlichen und digitalen Debatten mit fairen, transparenten Regeln Beachtung und Gehör finden. Das gilt auch für die Mehrheitsgesellschaft, die in den letzten Jahren sehr vernachlässigt worden ist.
In und durch die Corona-Epidemie sind die krisenhaften Prozesse deutlicher und stärker geworden. Die Menschen sind vielfach noch erregter und damit extremer in ihren Haltungen. Rigiditäten im Denken finden sich auf verschiedenen Seiten. Auch dies muss bei der Rehabilitation der politischen Mitte und der Debattenkultur in Rechnung gestellt werden.
Und was hat das Ganze mit Sucht zu tun?
Die Phänomene der Digitalwelt in Richtung Hyperismus begünstigen suchtartige Entwicklungen direkt wie auch indirekt. Dies sollte die Suchthilfe (Prävention und Therapie) mit berücksichtigen. Zum einen betrifft dies das höhere Risiko für die Entstehung von Verhaltenssüchten (direkter Effekt). Digitale Onlineangebote in den Bereichen Konsum, Pornographie, Glücksspiel, aber auch soziale Netzwerkaktivitäten können zu exzessiveren, weniger selbstregulierten Verhaltensweisen führen. Zum anderen ist das entstehende gesellschaftliche Klima (indirekter Effekt) zu erkennen, das zu mehr exzessiven emotionalen Zuständen und moralischen Bewertungen führt. Dies kann Menschen stärker exkludieren, in ihrem Selbstwert labilisieren, vereinsamen lassen und auf diesem Weg für Suchtstörungen anfällig machen.