Nach mehr als 25 Jahren im aktiven Dienst als Professor im Lehrgebiet Psychologie mit den Schwerpunkten Klinische Psychologie und Sozialpsychologie, insbesondere Suchtpsychologie, habe ich die Katholische Hochschule NRW zum 31.07.2020 mit der Pensionierung verlassen. Deshalb heute dieser persönliche Blogbeitrag. Es geht um ein bisschen “Vergangenheitsbewältigung”, aber auch um Zukunftsplanung. Am Ende meines Beitrags finden Sie meine aktuellen und neuen Projekte – vielleicht ist ja auch für Sie etwas Interessantes dabei 😉
Inhaltsübersicht
Wissenschaft und Praxis gehören zusammen – kein Platz für Ideologien und Pseudowissenschaften
Nach 15 Jahren Vorerfahrungen in der stationären Psychotherapie und der Leitung von Suchtfachkliniken hatte ich 1994 den Ruf auf eine Professur an der KatHO erhalten. Dies war eine große Ehre und Verpflichtung für mich und ist es bis heute geblieben. Ich sehe es als ein besonderes Privileg, aber auch Verpflichtung, junge Menschen auf eine Tätigkeit in der Sozialen Arbeit vorzubereiten. Dabei finde ich es besonders wichtig, nicht Ideologien und Pseudowissenschaft zu verbreiten, sondern die strengen Normen wissenschaftlichen Arbeitens mit Leben und Anschaulichkeit zu verbinden und für die Wissenschaft in der Praxis zu begeistern. Genauso wichtig muss die Praxis in der Wissenschaft ihren festen und dauerhaften Platz einnehmen.
“Sie mit Ihrer Sucht…!” – Vom Stellenwert der Suchtprobleme in der Sozialen Arbeit
Ich habe meinen Platz und meine Schwerpunktthemen an der Hochschule schnell gefunden. Für mich war es eine große Überraschung – fast ein Schock -, dass ein gesellschaftlich so wichtiges Thema wie die Sucht- und Drogenstörungen an der Fachhochschule so gut wie nicht präsent waren. In welcher Welt lebte diese und – wie ich später merkte – fast alle Hochschulen in Bezug auf die psychische Gesundheit der Menschen. Skurrile Themen und Modethemen hatten breiten Platz, aber das, was die Menschen krank und gewalttätig macht, was sie früher sterben ließ, kriminell werden ließ, all das hatte keinen gebührenden Platz in der Lehre der Sozialen Arbeit. Und so ist es aus meiner Sicht bis heute geblieben. Denkwürdig für mich war die Begrüßung durch meinen damaligen Dekan nach wenigen Wochen meiner Tätigkeit an der Hochschule: “Sie mit Ihrer Sucht…”.
Von der Suchttherapie in die Suchtforschung & Suchttherapieausbildung und zurück
Nach kurzer Zeit an der KatHO NRW gelang es mir bereits, einen Forschungsschwerpunkt für Suchtprobleme in der Bevölkerung zu gründen, den „Forschungsschwerpunkt Sucht“, der später in Deutsches Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) umbenannt werden konnte. In den vergangenen 20 Jahren wurden dort mehr als 10 Millionen Euro für Drittmittelforschungsprojekte in der Suchtprävention und -therapie eingeworben. Außerdem habe ich dann auch bald den Master-Studiengang Suchthilfe/Suchttherapie begründet, durch den bislang mehr als 500 SuchttherapeutInnen in Köln, München und Berlin akademisch und therapeutisch qualifiziert wurden. Dies tat ich, weil es bislang in Deutschland keine Ausbildung in der Suchttherapie gab, bei der akademische und therapeutische Inhalte integriert angeboten wurden. Ich bin aber auch immer wieder froh, wenn ich in meiner kleinen psychotherapeutischen Praxis in Köln Suchtkranken oder Angehörigen von Suchtkranken helfen kann.
Forschung braucht Schwerpunkte und Spezialisierung – Praxis auch
An der Hochschule gab es oft Diskussionen um die Ausrichtung der Sozialen Arbeit. Viele vertraten die Position, dass gerade die Professorinnen und Professoren generalistisch lehren müssten. Diese Meinung hatte ich nie. Nach meiner festen und tiefen Überzeugung müssen sie generalistisch und spezialisiert zugleich sein. Dies bedeutet, über den Tellerrand hinaus schauen zu können, aber gleichzeitig einen prall gefüllten Teller zu haben. In meiner Zeit hat an der KatHO NRW habe ich mehr als 50 wissenschaftliche Publikationen verfasst und Bücher veröffentlicht. Mein besonderer Forschungs- und Praxisschwerpunkt war die Situation der Kinder suchtkranker Eltern: Risiko- und Resilienzforschung, das Präventionsprogramm Trampolin und das Elterntrainingsprogramm SHIFT für drogenabhängige Eltern. Zu Themen der Suchtforschung und -therapie, speziell Familie und Sucht, habe ich mehr als 100 Kongressvorträge geleistet.
Vermittlung des klinischen Blicks in der Lehre besonders wichtig
In den Bachelor- und Master-Studiengängen an der KatHO NRW war es mir stets ein besonderes Anliegen, den Studierenden psychologisches Wissen und Denken zu vermitteln, da dieses für die Praxis der Sozialen Arbeit – egal ob in Beratung, niedrigschwelligen Hilfen, Verwaltung, Therapie, Jugendhilfe oder Suchthilfe – besonders wichtig ist und an den Fachhochschulen zunehmend vernachlässigt wird. Dazu gehört für mich neben Empathie, Verhaltensbeobachtung und Intervention besonders der „klinische Blick“: Dies bedeutet, Menschen in ihrem ‚Gewordensein‘ mit ihren spezifischen Problemen und Potenzialen zu verstehen, um helfende Beziehungen aufzubauen. Es bedeutet aber auch, Probleme, Pathologien und psychische Störungen nicht zu verleugnen, sondern proaktiv mit den Betroffenen daran zu arbeiten – oder noch besser: Die Prävention psychischer Störungen in der Gesellschaft zu verbessern und psychische Gesundheit ein Leben lang zu fördern. In dieser Zeit entwickelte für mich das besondere Engagement für die Suchtprävention.
Und die Zukunft?
Wie es heutzutage bei guter Gesundheit und vielerlei Interessen so ist, werde ich die laufenden Forschungsprojekte des DISuP weiter begleiten und als Dozent im Master-Studiengang Suchthilfe/Suchttherapie tätig bleiben. Mein besonderes Engagement wird dem – von mir begründeten – Rheinischen Institut für Angewandte Suchtforschung (RIAS) in Köln im Rahmen neuer Forschungsprojekte gelten. Außerdem werde ich mit den Kolleginnen und Kollegen am Hamburger Suchtforschungsinstitut ISD (Institut für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung an der Universität Hamburg) kooperieren.
Bleibe noch Dozent und Institutsmitarbeiter – genieße die Freizeit
Derzeit arbeite ich noch an einem Buch zum Thema „Angehörige von Suchtkranken“ für den Kohlhammer Verlag in Stuttgart. Dieses Thema liegt mir schon lange am Herzen und dieses Interesse und Engagement soll jetzt zu einem lesbaren Ergebnis führen. Zuletzt war ich in der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Arbeitsgruppe „Kinder psychisch kranker Eltern“ als wissenschaftlicher Berater aktiv. Die laufenden Forschungsprojekte des DISuP werde ich weiter begleiten und noch als Dozent im Master-Studiengang Suchthilfe/Suchttherapie in Köln und München tätig sein. Außerdem werde ich an dem von mir initiierten Rheinischen Institut für Angewandte Suchtforschung (RIAS) in Köln und dem Hamburger Suchtforschungsinstitut ISD (Institut für Interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung an der Universität Hamburg) im Rahmen neuer Forschungsprojekte tätig sein.
Darüber hinaus genieße ich die neue Freizeit beim Sport, Lesen und hoffentlich bald auch wieder Reisen.
Neuer Forschungsschwerpunkt: Männerfragen
Neben zahlreichen Freizeitinteressen für Natur, Reisen, Geschichte, Literatur und Sport werde ich auch in der psychosozialen Suchtforschung und als Publizist aktiv bleiben (insbesondere auf www.addiction.de). Deshalb schreibe ich Ihnen, meinen Leserinnen und Lesern, dies hier. Ich möchte mit der neu gewonnenen Freiheit jenseits der Alltagszwänge des Dienstes an der Hochschule besonders mein Engagement in der Suchtpublizistik stärken. Darüber hinaus will ich mich noch stärker in der psychologischen Männerforschung engagieren. Die Wurzeln dazu kommen bei mir natürlich aus meinen Erfahrungen in der Suchtprävention und –therapie. Die Mehrzahl der Suchtkranken ist Männer. Dafür gibt es aber noch zu wenige fokussierte Hilfen und Therapien. Und für Jungen und Männer in ihren Lebenslagen ganz allgemein.
In Kürze werde ich dazu eine eigene Internetpräsenz im Themenbereich “Men´s Mental Health” starten. Hintergrund dazu: Mein besonderes Interesse gilt seit einigen Jahren Fragen der Forschung und Praxis zu Männlichkeit, Männerfragen und Förderung der psychischen Gesundheit von Jungen und Männern. Dies umfasst auch die geschlechtergerechte und -sensible Soziale Arbeit mit Männern, die derzeit in Deutschland noch kaum entwickelt ist und die Psychotherapie mit Männern als geschlechtergerechte und geschlechtssensible Arbeit zugleich.
Ich freue mich, wenn Sie mich auf der Internetpräsenz hier weiter begleiten. Auch Ihre Meinungen und Rückmeldungen sind herzlich willkommen.