Seit einiger Zeit geistert der Begriff der Drinkability verstärkt durch die Presse und die Bierbrauer-Szene. Darunter sind dann Brauer, Sommeliers, aber auch Medien zu verstehen, die sich um diesen denglischen Begriff versammeln und immer neue Interpretationen des Begriffs – sicher nicht zum Unwillen der Brauwirtschaft – kreieren. Seltsamerweise finden sich noch keine Winzereien, Sektkellereien und Whiskeydestillerien, die den Begriff für sich entdeckt haben. Aber die werden sicher noch folgen.
Dabei ist der englische Originalbegriff so banal wie trivial. Dennoch – oder gerade deshalb – elektrisiert er die Szene, wie Uwe Ebbinghaus in der FAZ (28.08.2020) herausgestellt hat. Prof. Ludwig Narziss, der oft als Nestor der Brauwissenschaft bezeichnete Emeritus von der Hochschule Weihenstephan/ TU München, versteht unter Drinkability, dass das Bier zum Weitertrinken einlädt. Diese brauwissenschaftliche Definition elektrisiert einen Suchtforscher sofort, entspricht sie doch auch der eines Kontrollverlustes im Kontext von Alkoholabhängigkeit. Der gilt vor dem Hintergrund dopaminerger Gewöhnungsprozesse als treibende Kraft für das – hinterher meist bereute – Weitertrinken bis zur Intoxikation. Aber der Reihe nach…
Inhaltsübersicht
Weitertrinken?! Immer schön weitertrinken!
Wenn Drinkability den Wunsch zum Weitertrinken erzeugt, weil es so gut schmeckt oder wirkt, dann ist das Nachgeben gegenüber diesem inneren Drang nichts anderes als der Weg zur Intoxikation. Falls Bier als Naturprodukt – wenigstens in Deutschland – zu lange gelagert wird, verändert sich die Drinkability – so die Brauwissenschaftler – und das Bier zeigt eine Geschmacksveränderung, einen Alterungsgeschmack. Sicher ein weiterer Grund zum Weitertrinken.
Der Braumeister Jeff Maisel von der Bayreuther Brauerei Gebr. Maisel meint, dass Drinkability bedeutet, wie leicht das Bier die Kehle hinunterrinnt und ob man Lust auf den nächsten Schluck bekommt. Für die Braumeister stellt die weitertrinkende Kundschaft offenbar eine wichtige Zielgruppe zur Validierung der Qualität ihres Bieres dar. Verständlich ist dies unter Geschmacks- und Marketingaspekten, aber gesundheitspsychologisch sollte es sicher nicht das letzte Wort bleiben.
Es könnte also unter interdisziplinärer Perspektive angeraten sein, ein Bier mit hoher Drinkability und programmiertem Stopp-Verhalten zu entwickeln, sozusagen Drinkability und Controlability miteinander zu verbinden und in vielen Fällen sogar auszusöhnen. Im Kern bleibt die Drinkability unter gustatorischen, also rein geschmacklichen Aspekten, ein Mythos. Denn die Geschmäcker sind so verschieden wie die Biersorten, in Deutschland und erst recht weltweit. Daher gilt es die Betrachtungsweise auf psychologische und neurobiologische Aspekte zu erweitern, um das Phänomen des Weitertrinkens zu verstehen, was im Folgenden anhand des Krankheitsbildes „Abhängigkeit/ Sucht“ geschieht.
Des Pudels Kern: Drinkability oder Toleranzerhöhung?
Wenn Drinkability die Lust aufs Weitertrinken bezeichnet, stellt sich direkt die Frage, wo und wie das Weitertrinken – und damit die Drinkability – aufhört. Echte praktische Alkoholexperten können darauf Antworten geben. Und wir Suchtforscher wissen auch, was da scheinbar oder real hilft. Vordergründig natürlich die Erhöhung der Alkoholtoleranz, die bei den meisten geübten Trinkern als neurobiologische Reaktion auf kurz oder lang eintritt. Darunter verstanden wird der Anpassungsprozess des Gehirns, indem durch Verringerung der Zahl der alkoholaffinen Rezeptoren die Wirkung der Substanz nachlässt. Alkohol wirkt dabei auf eine Vielzahl von Rezeptoren im Gehirn, vor allem auf glutamaterge NMDA-Rezeptoren und GABA-A-Rezeptoren.
Der Trinker beantwortet diesen – an sich gegen übermäßige Intoxikation schützenden Prozess – in der Regel mit Dosissteigerung. Er kann – bei Abhängigkeit muss er – mehr trinken, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Überträgt man den entstehenden Verhaltensablauf auf die Begriffserklärung von Drinkability, so zeigt sich, dass der Lust aufs Weitertrinken im Kern ein Toleranzeffekt hinterlegt sein kann. In dem Fall würde die Lust aufs Weitertrinken nicht so sehr durch den Geschmack, sondern durch erworbene neurobiologische Effekte durch starken Konsum in der Vorgeschichte erklärbar sein. Die Lust auf mehr ist dann die Suche nach den gewöhnten angenehmen Effekten von Sedierung, Angstlösung und Stressreduktion!
Süffig(keit)
Die Süffigkeit eines alkoholisschen Getränks beschreibt, wie leicht und angenehm sich dieses trinken lässt. Süffig bedeutet so viel wie angenehm schmeckend und gut trinkbar. Ausgehend vom Wortstamm saufen wurde im 16. Jahrhundert süffig in der Bedeutung „trunkliebend, dem Trinken ergeben“ auf das Trinken und besonders die Trunksucht, deren Konzept in dieser Zeit erst entstand, bezogen. Für das heutige Sprachverständnis, in dem Anglizismen einen großen Raum einnehmen, ist der Begriff Süffigkeit, der dem der Drinkability ziemlich gut entspricht, nicht „hip“ genug.
So jedenfalls das Empfinden vieler Marketingstrategen in der Brau- und Alkoholwirtschaft, aber sicher auch bei der potentiellen Endkundschaft. Der schon bekannt gemachte Jeff Maisel meint denn auch, dass Drinkability mehr ist als Süffigkeit. Und zwar der Gesamteindruck, der beim Trinken entsteht und ob man sich beim Trinken schon auf den nächsten Schluck freut. Auch wenn sich damit der Unterschied von Drinkability und Süffigkeit nicht wirklich erschließt, bleibt es doch bei der schon geäußerten Annahme, dass Drinkability nichts anderes ist als sich entwickelnde Toleranz gegenüber dem alkoholischen Getränk. In der Luther´schen Zeit benannte man dies mit dem Begriff der „Trunkliebe“.
Wein ist (bislang) süffig, aber hat keine Drinkability
Erstaunlich ist zudem, dass Weinkenner und –sommeliers durchaus mit dem Begriff „süffig“ umgehen, aber die Drinkability eines Weins nicht zum Thema machen. Ein süffiger Wein wird als einer ohne besonderen Charakter, eher süß und mit hoher Alltagstauglichkeit beschrieben. Die von der deutschen Weinwirtschaft betriebene Website sieht in „süffig“ die umgangssprachliche Bezeichnung für zumeist einen Wein mit deutlichem Restzucker, ohne vordergründige Säure, leicht, frisch und gut trinkbar. Einen Wein, der den „Suff“ erleichtert. Insofern ist ein süffiger Wein heutzutage kein Qualitätsmerkmal mehr.
Vielleicht wird es mal ein Wein mit hervorragender Drinkability sein, wenn der englische Begriff erst einmal Einzug in die Winzerkeller gehalten hat. Als distinktives Merkmal wäre also die Drinkabiltiy durchaus ein mögliches Beschreibungsattribut für ausgewogene, aber nicht alltägliche Weine. Mal sehen, wie lange die Weinwirtschaft noch den Verlockungen der Anglizismen als Werbeträger widerstehen wird.
Bei Drinkability winkt der Drunkard im Hintergrund
Aber auch die im Deutschen hochgelobte Drinkability hat einen problematischen Wortstamm im Englischen. Das Wort stammt natürlich von „to drink“, was wiederum eng mit dem Wort „drunkard“ (Trinker, Säufer) verwandt ist. So schließt sich also der Kreis. Wie so oft, ist das, was nicht verstanden wird, angenehmer und unproblematischer als das, was sich einem direkt erschließt, weil es dies muss. Die Sichtbarkeit des Säufers ergibt sich für uns Deutsche aus dem Wort süffig unmittelbar, während Drinkability im Deutschen ein distinktiver Begriff der Oberschicht zu sein scheint – also einen Effekt der soziale Schicht darstellt -, so dass der drunkard, der im England des 18. Jahrhunderts sogar mit einer stigmatisierenden Armbinde mit dem Buchstaben „D“ ausgestattet wurde, für den deutschen Hörer nicht sichtbar wird.
Sorgte der Saufteufel für die Süffigkeit?
Also sind wir doch wieder beim Suff und dem Säufer angelangt. Interessant auch, dass in der Zeit der Reformation im frühen 16. Jahrhundert die Figur des „Saufteufels“ erfunden wurde, der für das Laster der Deutschen – das übermäßige Trinken – verantwortlich gemacht wurde. Dieser „drink-devil“ – um das Phänomen des Weitertrinkens als Drinkability zu erklären – verkörpert die Externalisierung der Verantwortlichkeit für exzessives Trinken. Es geht um die Erklärung des Verhaltens der „armen Zecher“, die dem Trunke zu sehr zugetan waren. Diese sind nach damaliger Vorstellung dem Saufteufel verfallen.
Noch im 20. Jahrhundert geisterte diese Vorstellung durch das deutsche Volks- und Liedgut („Der Teufel hat den Schnaps gemacht“). Und genau in dieser Zeit prägte man den Begriff „süffig“ zur Bezeichnung derer, die – ganz im Geiste des antigermanischen römischen Geschichtsschreibers Tacitus – Unmengen von Alkohol durch ihre Kehlen spülten. Da der aus dem 16. Jahrhundert stammende Begriff „süffig“ vom Wortstamm „saufen“ stammt, hat er heutzutage natürlich einen schweren Stand gegenüber den „hippen“ Anglizismen. Süffig erinnert einfach zu sehr an saufen und den Säufer. Dies entspricht zwar der Definition der Drinkability mit dem aufkommenden Wunsch nach Weitertrinken, wird aber allzu gerne ausgeblendet.
Da, wo es um Alkohol geht – das weiß die soziokulturelle Suchtforschung schon lange -, wimmelt es seit alters her von Schwarz-Weiß-Bildern. Und die heute immer noch zu beklagende starke Stigmatisierung von Alkoholabhängigen, hat viel mit diesem dichotomen, rigiden Denken in Bezug auf Trinken und Trinker zu tun: Exzessiv oder abstinent, normal oder unnormal, akzeptiert oder diskriminiert.
Süffisanz – die kleine Schwester der Süffigkeit?
Zunehmend denken Zuhörer bei süffig auch an süffisant, ein altes, gerade aussterbendes Lehnwort aus dem Französischen des 18. Jahrhunderts. Vorab sei gesagt: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den beiden Wörtern, außer dass sie sehr ähnlich klingen. Süffisanz ist im weitesten Sinn eine Art spöttischer Humor. Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm erklärt das Adjektiv süffisant mit den Synonymen „anmaßend, dünkelhaft, eingebildet“, aber auch „selbstgefällig, selbstzufrieden“ und gibt an, es sei im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt worden.
Süffisanz (französisch: suffisance, grob „Selbstgefälligkeit“) ist im weitesten Sinn eine Art spöttischer, bisweilen überheblicher Humor. Also gibt es außer dem ähnlichen Klang keinen Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen. Vielleicht aber in einem tieferen, psychologischen Sinne doch. Man denke an das römische „in vino veritas“, das psychologisch als Enthemmung („Hemmung der Hemmung“ ergibt Bahnung“) verstanden werden kann. In diesem Kontext wäre ein Trinker, der sich unter stärkerem Alkoholeinfluss überheblich und selbstgefällig verhält, einer der eine – ansonsten kaschierte – Persönlichkeitseigenschaft zeigt. Durch den süffigen Stoff kommt die süffisante Seite zum Vorschein, wäre die persönlichkeitspsychologische Kurzformel.
Kölsch und Drinkability
Die deutsche Brauwirtschaft kennt eine Vielfalt an Brautechniken und –sorten. Einer der wesentlichen Unterschiede sind die obergärigen (Kölsch, Alt) und untergärigen (Pilsener, Export) Sorten. Als in Köln ansässiger Autor habe ich natürlich ein besonderes Auge auf die hiesigen Brauereien. Erstaunlicherweise haben sich die Kölsch-Brauereien bislang noch nicht mit der Drinkability ihres obergärigen Produkts beschäftigt. Soll das bedeuten, dass das Bier in der nahezu gleichnamigen Stadt nicht so drinkable ist? Kölschapologeten werden eher argumentieren, dass ihr Kölsch so süffig sei, dass man sich gar nicht mit der Drinkability beschäftigen muss, dass die Drinkability sozusagen eingebaut ist und nicht gesteigert werden kann.
Aber Vorsicht! Das könnte ein Irrtum sein, denn die Lust aufs Weitertrinken wird – psychologischerseits – von vielen Faktoren gesteuert. Dies ist nicht nur die Größe der Gläser – die beim Kölsch ein Chemieexperiment im Reagenzgläschen vortäuscht – geschuldet, sondern auch Farbe, Perligkeit, Schaumkrone, Geruch, Temperatur und Dünnflüssigkeit. Und da lässt sich bestimmt am Kölsch noch etwas machen, vor allem damit nicht die geringste Assoziation mit anderen obergärigen Biersorten aufkommen, die man hierzulande automatisch ablehnt. Und dies nicht nur wegen der dunklen Farbe. Jeff Maisel spricht in diesem Zusammenhang davon, dass Drinkability den Gesamteindruck eines Bieres bezeichnet, was wiederum die Voraussetzung des Wunsches zum Weitertrinken darstelle. Es sei einfach wichtig, dass man sich beim Trinken schon auf den nächsten Schluck freue. Man kann jeder Brauerei nur empfehlen, dass sie Drinkability-Studien mit Blindverkostern durchführt. Dies sei auch den Kölschbrauern ins Stammbuch geschrieben.
Der weltweite Siegeszug des Kölsch – wegen seiner Drinkability?!
Dabei ist außerhalb der Domstadt die Drinkability des Obergärigen schon bekannt. Die WELT schreibt am 21.06.2020 in einem Beitrag über den Siegeszug des Kölsch von Honduras bis Neuseeland: „In Honduras eröffnet bald der zweite Biergarten, der die Marke „Früh“ serviert […] In Europa ist Kölsch ein streng geschütztes Regionalprodukt, genau wie Champagner. Im Rest der Welt wird es seit einigen Jahren umso hemmungsloser mehr oder minder originalgetreu gebraut, ob auf den Philippinen („Palawan Honey Kölsch“) oder im brasilianischen Blumenau („Eisenbahn Kölsch“). Während es am Rhein lediglich ein Dutzend Kölsch-Brauereien gibt, die 20 Marken produzieren, listet allein der englische Wikipedia-Eintrag 50 angelsächsische Kölsch-Produzenten auf. In den USA hat sich gefühlt jeder zweite Brauer schon an Kölsch versucht […]“ Und warum das alles: Klar, wegen seiner vergleichsweise sehr guten Drinkability. Bekömmlich statt süffig heißt das dann gerne in der Werbung. Und: Very drinkable, sagen die ausländischen Brauer. Wann verdenglischen endlich auch die angeblich so weltoffenen Kölner ihr Kölsch als besonders drinkable? „The most drinkable German beer“.
Labberig oder drinkable?
Weiter heißt es in dem WELT-Artikel von 2018, dass lt. Kölner Brauerei-Verband die „unautorisierten Biere“ unter der Bezeichnung „Kolsch“ sehr wenig mit dem hießigen Original zu tun hätten. Die verwendeten meistens ganz anderen Zutaten. Tatsächlich stecken oft auch lokale Ingredienzien im Bier, im Falle der Palaweño Brewery auf den Philippinen etwa sogar Honig, ein eindeutiger Verstoß gegen das deutsche Reinheitsgebot. Die Brauer in der Fremde schwärmen jedenfalls für die subtile Mineralität des Kolsch und seine lustigen Aromen, die sich in „Noten von schwarzer Johannisbeere“ oder ähnlichem äußerten. Kein Wunder, wenn sie Honig und allerlei sonstige lustige Bestandteile enthalten!
Schließlich berichtet die WELT-Autorin Brenda Strohmaier: „Zumindest die in Down Under verkosteten Biere sind geschmacklich definitiv mit dem Kölner Vorbild verwandt, obwohl sie auch einheimischen Hopfen enthalten. Alkoholgehalt, Bittereinheiten, Braumethode sind schließlich fast identisch. Nur erscheint das australische und neuseeländische Kölsch deutlich „hopfiger“: Die Zitrusnoten drängeln sich vor, das Bier wirkt somit gleich „craftiger“. Damit kann man es nicht so leicht – wie es Verächter des hiesigen Kölsch zu tun pflegen – als „labberig“ disqualifizieren. Soweit man überhaupt ein Kölsch beurteilen kann, wenn man es aus einem Pint- oder Weizenbier-Glas (gerade in Russland gesehen!) probiert. Oder aus einer Dose oder Flasche, wie es im Ausland durchaus üblich ist.“ Auch diese Verkostungsergebnisse zeigen, dass sich die hiesige Kölsche Brauwirtschaft dringend der Drinkability des Originals annehmen müssen, und sei es nur in der Werbung.
Die Grenzen der Drinkability liegen im urologischen System – der Nierenkapazität
Dass Drinkability die Lust am Weitertrinken bezeichnet, ist schon beschrieben worden. Dieser Prozess kann lustvoll („liking“) oder getrieben („wanting“) oder gar zwanghaft („craving“) sein. Es stellt sich dabei natürlich unmittelbar die Frage nach den Grenzen der Drinkability. Es gibt jedoch eine Vielfalt möglicher Ursachen für ein übermäßiges Trinken, wohlgemerkt auch von Wasser und anderen psychotrop unbedenklichen Flüssigkeiten. Viele dieser Erscheinungsbilder werden mit dem griechischen Wort Polydipsie bezeichnet, was nichts anderes heißt, als zu viel zu trinken, extreme Trinkmengen eben. Ab 3-4 Litern täglich wird es für den Körper, insbesondere die Nieren, kritisch.
Meist beruht die Polydipsie auf organischen Ursachen oder Ernährungsfehlern, die ein übermäßiges Durstgefühl erzeugen. Durst tritt immer dann auf, wenn der Wasseranteil des Körpers um mindestens 0,5 % abnimmt. Auch bei einem Salzüberschuss im Körper entsteht ein Durstgefühl, um diesen Überschuss abzubauen. Spezialisierte Nervenzellen im Zwischenhirn („Durstzentrum“) messen laufend den osmotischen Druck des Bluts, der seinerseits von der Flüssigkeitsmenge und der Salzkonzentration im Blut abhängt. Steigt der osmotische Druck, z. B. durch unzureichendes Trinken oder übermäßig salziges Essen, löst das Durstzentrum sofort ein subjektives Durstgefühl aus, was dann zum Trinken führt. Auch bestimmte Hormone, die bei Verringerung des Blutvolumens von der Niere abgegeben werden, können das Durstzentrum stimulieren. Schließlich ist auch bei Diabetes Mellitus ein verstärktes Durstgefühl bekannt, was aber durch die übermäßige Abgabe von Glukose an die Nieren verursacht wird.
Das übermäßige Trinken (> 3-5 Liter) zerstört längerfristig die Funktionsfähigkeit der Nieren durch Überbelastung der Zellen. Auch für andere Körperorgane – z.B. Lunge und Gehirn – bestehen Gefahren durch die Überflutung mit Wasser. Also findet die Drinkability des Bieres – die Lust, die beim Trinken auf mehr entsteht – auch hier ihr natürliches Ende. Biergewöhnte Alkoholabhängige, die nicht so sehr auf die Qualität und Drinkability des Produkts achten, da Kontrollverlust, Toleranzerhöhung und Vermeidung von Entzugserscheinungen im Vordergrund des Erlebens stehen, steigen dann auf härtere Produkte – wie Schnaps oder Benzodiazepine – um. Damit lässt sich die gefürchtete Polydipsie vermeiden, unter der auch wegen des dauernden Urinierens die Nacht meist zum Tage wird.
Alles abilities? – Die Fähigkeiten im Vergleich
Als Erweiterung der Perspektive auf Drinkability als eine aus Sicht der Brauwirtschaft wünschenswerten Fähigkeit seien an dieser Stelle noch weitere abilities, also Fähigkeiten, zum Konsum psychotroper Substanzen erwähnt und konsekutiv gelistet. Dies kann die Perspektive auf menschliche Fähigkeiten zum Konsum erweitern, aber vielleicht auch den Bedarf nach begrenzenden „abilities“ deutlich machen. Insofern: Keine „consumability“ ohne „controlability“!
Injectability
Viele Substanzen werden seit Erfindung und massenhaften Erstellung der Injektionsspritze injiziert. Die beste Wirkung ergibt sich bei intravenösen Injektionen. Besonders verbreitet ist die intravenöse Injektion von Heroin, mit Abstand auch von Narkosemitteln und Methamphetamin. Eine venenschonende Qualität der Injektionsspritzen kennzeichnet eine gute Incetability genauso wie die Qualität des zu injizierenden Stoffes, der kein spontanes Brennen in den Venen erzeugen soll.
Sneezability
Die Zufuhr von Substanzen durch die Nase ist besonders bei kristallinen oder körnigen Darreichungsformen beliebt, z.B. Kokain, Methamphetamin, aber auch Schnupftabak. Die Stoffe dürfen nicht zu grobkörnig sein, da andernfalls erhebliche Verletzungen der Nasenschleimhäute und der feingliedrigen nasalen Gefäße geschehen. Die Wirkung im Gehirn entfaltet sich sehr schnell und nahezu unmittelbar.
Smokeability
Die ersten rauchbaren Substanzen galten in Europa ab dem frühen 16. Jahrhundert bei ihrer Einfuhr aus Amerika als Ausdruck des Verhaltens von wilden und unzivilisierten Menschen. Dies hat sich grundlegend geändert. Die Wirkung rauchbarer Substanzen auf Gehirn und Organismus sind meist sehr direkt und langanhaltend, da sich die Wirkstoffe sehr gut im Blutkreislauf verteilen. Die am häufigsten gerauchten Produkte sind Tabak und Cannabis. Beim Rauchen werden ungefähr 30 % des in der Zigarette enthaltenen Nikotins freigesetzt. Davon werden bis zu 95 % beim intensiven Inhalieren resorbiert, also über die Atemwege aufgenommen.
Ein Viertel des inhalierten Nikotins erreichen schon innerhalb von ca. 8 Sekunden das Gehirn, wo es auf nikotinerge Rezeptoren wirkt und eine Reihe physiologischer Reaktionen auslöst: Das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, und der Hautwiderstand nimmt ab. Da die Hauttemperatur ebenfalls sinkt, frieren Raucher schneller. Psychisch machen sich die stimulierenden Effekte durch eine erhöhte Leistungsfähigkeit sowie eine verbesserte Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistung bemerkbar. Gleichzeitig werden Appetit, Stress, Angst, Unsicherheit, Nervosität und Müdigkeit unterdrückt. Als besonders smokeable werden Substanzen eingeschätzt, die angenehm leicht im Rauch sind und keinen Hustenreiz auslösen. Die Manipulationen, welche die amerikanische Tabakindustrie („big tobacco“) ab den 80-er Jahren an ihrem Hauptprodukt weltweit vorgenommen hat, verbesserten ihre Smokeability und machten das Produkt bei Jugendlichen beliebter – weil angenehmer zu inhalieren – und erzeugten schneller eine Abhängigkeit.
Drinkability: Von Lust, Genuss und Kontrolle
Die interdisziplinäre Betrachtung des Begriffs Drinkability erbringt interessante Perspektiven für Psychologie, Kulturwissenschaften und Suchttherapie. Nachdem der Begriff scheinbar verengt auf brauwissenschaftliche Sichtweisen erläutert wurde, ergeben sich durch die auch dort betonten Aspekte der Entstehung einer „Lust auf mehr“ schnell umfassendere Anwendungen und Interpretationen. Wie immer beim Konsum psychotroper Substanzen zeigt sich schnell die notwendige Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Perspektiven. Dass die „Lust auf mehr“ nicht nur den besonders angenehmen und wohltuenden Geschmack des Bieres und damit das direkte Erlebnis beim Trinken betreffen muss, ergibt sich schnell aus der Einsicht, dass Alkohol nach ca. 20 -30 Minuten seine volle Wirkung auf das Gehirn entfaltet.
Insofern bestätigt sich einmal mehr die von Viktor Emil Klemens Franz Freiherr von Gebsattel (1883 – 1976), einem umfassend gebildeten Psychiater und Psychotherapeuten, schon 1954 formulierte Weisheit, dass jegliche lustvoll erlebte Tätigkeit zur Sucht werden kann. Dies im Sinne erscheint die Lust aufs Weitertrinken als Kriterium einer hohen Drinkability in einem umfassenderen Licht. Es ist die Lust auf mehr, die zum einen den Genuss vertieft, ihn aber auch ad absurdum führt, wenn immer weiter getrunken wird. Dann nämlich gibt es auf Dauer Probleme mit der Kontrolle eben dieses lustvollen Verhaltens.
Fazit: Drinkability ist achtsamer Genuss mit Kontrolle
Deshalb definiert sich Drinkability in einem umfassenderen Verständnis als der achtsame Genuss, der durchaus ein Erlebnis sein soll und kann, sowohl im geschmacklich-ästhetischen als auch im psychotropen Sinne. Der bald einsetzende leichte Rausch – die neurobiologische Gesamtwirkung – ist unabdingbar mit alkoholhaltigen Getränken assoziiert und wird mitgelernt. Ebenso wie der einsetzende Rausch ist – will der Potator nicht im vollen Exzess enden, der Alkoholintoxikation – die Selbstkontrolle notwendige Voraussetzung für Genuss und damit auch Drinkability. Der Genuss definiert sich somit nicht nur durch höhere Achtsamkeit im Moment des Genusses, sondern auch in seiner Beendigung, bevor er seinen Charakter verliert und in den Zustand des Verlustes der Verhaltens- und Erlebenskontrolle übergeht.
Die Kunst des Genusses besteht also auch in seiner Beendigung.Genuss ist ohne Askese – oder wenigstens Trinkstopp zur rechten Zeit – nicht denkbar. In diesem Sinne muss Drinkability umfassend verstanden werden als die Lust auf mehr und die – bisweilen schmerzvolle, besser automatisierte – Beendigung des Genusses, bevor ein zu intensiver Kontrollverlust einsetzt. In diesem Sinne kann eine achtsame, genussorientierte, aber auch kontrollierte Drinkability auch einen wichtigen Beitrag zur Suchtprävention leisten. Die Ansätze im Rahmen des Modells „Lieber schlau als blau für Jugendliche“ von Johannes Lindenmeyer bieten hier einen interessanten Ansatzpunkt.