Im Kontext von Corona und Alkohol: Viele Brauereien hoffen auf einen rasant steigenden Bierkonsum nach dem Ende des Corona-Lockdowns und träumen vielleicht sogar heimlich von einem Bier-Tsunami. Kommt er wirklich? Da Vorfreude ja bekanntlich die schönste Freude ist, kann diese Freude besonders in den Führungsetagen der Brauerei-Großkonzerne, die inzwischen große Teile der weltweiten Brauwirtschaft kontrollieren, kaum mehr unterdrückt werden. So sieht es auch Atsuhi Katsuki, neuer Chef der japanischen Brauerei Asahi Breweries Ltd., für die Zeit nach der Abschaffung der Lock-Downs. Er sagt ein rasantes postpandemisches Ansteigen des Bierkonsums anlässlich von sozialen Zusammenkünften in Kneipen, Bars und Gastwirtschaften vorher und lässt die Produktionskapazitäten hochfahren.
Und kürzlich machte Finanzminister Olaf Scholz sich und der Bevölkerung Hoffnung, im Sommer wieder im Biergarten sitzen zu können. Inzwischen kann man von ihm lesen, dass er einen Öffnungsplan für Gesellschaft und Gastronomie für den Sommer 2021 verlangt. Der ebenfalls zu SPD gehörende Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der nicht als überfliegender Optimist gilt, prophezeite am 01. Mai 2021 gar im WDR, dass der Sommer gut werden wird. Wahlkampf oder Craving (Verlangen) nach Alkohol? So oder so. Die Münchner Wirte scharren schon mit den Hufen, weil der Inzidenzwert für die Stadt am 05. Mai 2021 auf 99 gefallen ist. Bleibt es jetzt 5 Tage so niedrig, geht es los mit den Biergärten in der heimlichen Bierhauptstadt Deutschlands.
Wenn eine Lehre aus der Kultur- und Sozialgeschichte des Alkohols zu ziehen ist, dass dieser – vor allem in Form von Bier und Wein – es am Ende immer schafft zu obsiegen. Schafft die lange Abstinenz von geselligem Trinken am Ende, was bisher alle anderen Forderungen und Initiativen nicht geschafft haben? Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass das Verlangen nach geselligem Alkoholtrinken Ängste, Zwänge und Einschränkungen besiegt. Auch der Reformator Johannes Calvin musste 1546 im Kampf für seine allumfassende Frömmigkeit gegenüber Kneipen und Bier alsbald kapitulieren (siehe „Deutsche Drogenpolitik im Dornröschenschlaf? (…)“). Wie also wird unsere nähere und fernere Bierzukunft aussehen? Wird im Kontext von Alkohol und Corona der Bier-Tsunami nun wirklich kommen? Lesen Sie im Folgende meine Prognose.
Inhaltsübersicht
Nach der Pandemie aus der Bier-Rezession?
Besonders in Deutschland herrscht Bier-Rezession, auch wenn dies viele Beobachter nicht glauben mögen. Und dies war schon so vor der Pandemie. Wurden im Jahr 1994 noch 107 Mill. Hektorliter von der deutschen Brauwirtschaft abgesetzt, waren es im Jahr 2019 nur noch 76 Mill. Hektorliter. Bier hat sich insofern – wirtschaftlich gesehen – vom Star- zum Krisengetränk verändert. Vielleicht – so kann man aus gesundheitspolitischer Sicht einwenden – handelt es sich aber auch nur um eine Normalisierung des Konsums, da Deutschland viele Jahrzehnte in der internationalen Spitzengruppe des Pro-Kopf-Bierkonsums zu finden war. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie 2020 haben die in Deutschland ansässigen Brauereien insgesamt noch rund 71 Mill. Hektorliter Bier abgesetzt.
Der pandemiebedingte Rückgang des Absatzes (nicht identisch mit Konsum im Inland wegen Export) kommt also noch zu den bereits vorher wirksamen Trends hinzu. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, sank damit der Bierabsatz im ersten Corona-Jahr gegenüber 2019 um 5,5 %. Dies wird vor allem auf die Einschränkungen beim sozialen Bierkonsum anlässlich von Volksfesten, Partys und Fußballspielen sowie generell dem weitgehend zum Erliegen gekommenen Geschehen in Gastwirtschaften und Biergärten zurückgeführt. Der Januar 2021 war mit einem landesweiten Absatz von 3.85 Mill. Hektorlitern in Deutschland der schlechteste Januar seit vielen Jahrzehnten. Der Bierverbrauch pro Kopf betrug im Jahr 1980 stolze 145.9 Liter. Im Jahr 2019 waren es dann noch 99.7 Liter pro Kopf. Im Krisenjahr 2020 ging er noch mal um knapp 5% auf 95 Liter pro Kopf zurück.
In der EU ging der waren die Verluste im ersten Pandemiejahr besonders hart. Wie der europäische Brauerverband „The Brewers of Europe“ im April 2021 mitteilte, ist der Bierabsatz im Vorjahr um 42% zurückgegangen. Außerdem seien europaweit ca. 800.000 Arbeitsplätze in der Wertschöpfungskette rund um das Bier verloren gegangen. Offenbar haben die Deutschen relativ gesehen in Europa dem Bier noch vergleichsweise eher die Treue gehalten als viele andere Europäer. Es ist nun durchaus möglich, dass der Absatz im Sommer 2021 – wenn der Lockdown fallen sollte – um mehr als 40% zunimmt.
Die Malaise der deutschen Brauwirtschaft
Deutschland verfügt mit der Hochschule Weihenstephan zwar über die einzige „Bieruniversität“ weltweit und die dortigen Professoren sind auch stolz auf ihre Brauwissenschaft und deren Renommee. Sie beschäftigen sich u.a. mit Themen wie der Drinkability des Endprodukts und der Akzeptanz beim Verbraucher. Vor allem soll dieser bei einer Trinkgelegenheit nach dem Konsum eines Bieres nicht mit dem Trinken aufhören, sondern wegen des angenehmen Geschmacks und der anderen Eigenschaften weitertrinken (vgl. „Drinkability – Mehr als süffiges Bier. Eine Betrachtung aus suchtpsychologischer Perspektive“; „Was ist “drinkability” beim Bier?“).
Die Bierhochschule in Weihenstephan, ein Standort der TU München, ist jedoch nicht zu verwechseln mit den mehr als 300 Kneipen in Deutschland, die sich anmaßend und praxisorientiert zugleich den Namen „Bierakademie“ gegeben haben. Was jedoch kaum jemand in Deutschland weiß, ist, dass inzwischen die bevölkerungsmäßig kleineren Staaten Frankreich (ca. 2.200) und Großbritannien (ca. 1.950) mehr Brauereien aufzuweisen haben als Deutschland (ca. 1.550). Wie konnte das passieren? Möglicherweise ist es ein Zeichen des Niedergangs der deutschen Braukunst und der Verachtung für die historischen Wurzeln des Landes. Lange Zeit war weit und breit keine Rettung in Sicht.
Auch die Biermischgetränke haben die Situation nicht durchschlagend verändert. Viele Konsumenten und insbesondere Konsumentinnen fürchten die vielen Kalorien, die das Getränk nun einmal mit sich bringt. Kalorienreduzierte Biere haben sich bislang kaum durchsetzen können und stellen auch geschmacklich nach wie vor ein Problem dar. Eine alternative Rettung könnte die vor allem von jungen deutschstämmigen Bierbrauern in USA initiierte Kultur der Craft-Biere, die handwerklich und nicht massenindustriell hergestellt zu sein angeben. Aber die momentan bedeutsamste Rettung wird der Bier-Tsunami nach dem Ende des Lockdowns sein. Er wird das soziale Leben stimulieren und intensivieren. Bis die Welle dann wieder abgeebbt hat, muss sich die deutsche Brauwirtschaft etwas einfallen lassen, falls sie langfristig an die früheren Erfolge anknüpfen will, was aus Sicht der Suchtprävention gar nicht zwingend notwendig ist.
Da kommt ein Bier-Tsunami auf uns zu!
Klar ist, dass sich dies ändern wird, wenn die Lockdown-Beschränkungen fallen werden. Es ist dabei fast schon die Frage, ab wann es Unruhen in der Bevölkerung geben wird wegen der Beschränkungen des öffentlichen Lebens und besonders des öffentlichen Feierns mit Bierkonsum. Die Geschichte der Psychologie der Massen seit der Antike zeigt, dass Drogenkonsum nicht nur reglementiert und unterdrückt wird, sondern dass er auch eine wichtige Rolle zur Beruhigung der Bevölkerung spielt. „Brot, Wein und Spiele“ sind eine denkwürdige Erfindung der römischen Kaiser und der mächtigen Oligarchen seinerzeit, um Unruhen im Keim zu ersticken und die Bevölkerung von „berauschenden“ Wohltaten abhängig zu machen. Nachdem in unserer Zeit die „Spiele“ in Form von Medien (TV, Internet, soziale Netzwerke) eine immer größere Rolle einnehmen, sollte die Wichtigkeit der direkt sedierenden Substanzen (vor allem Alkohol) nicht unterschätzt werden.
Als die Pubs in Großbritannien am 12.04.2021 wieder öffneten – zunächst in den Außenbereichen – ergoss sich ein Strom von Trink- und Feierwilligen auf die um 2.000 Pubs geschrumpfte britische Bierlandschaft. Die Wiederöffnung der Pubs in Großbritannien am nach monatelangem Lockdown zeigte schon mit überaus großer Akzeptanz, Freude und teilweise euphorischen und tumultartigen Szenen, wie wichtig den Menschen diese sozialen Trinkgelegenheiten sind. Und nicht überraschend waren an vielen Orten schon drei Tage später die Biervorräte ausgetrunken. Die Nachfrage in den ersten Wochen habe “alle Prognosen übertroffen”, berichtete der Chef der größten Pub-Kette Mitchell & Butlers, Phil Urban, gegenüber der “Financial Times”. Die Zulieferer seien nicht in der Lage, schnell genug neues Bier zu liefern. Für den kulturhistorisch informierten Bierexperten keine Überraschung. Solche Zustände hat es nach Pandemien, Kriegen und anderen schwerwiegenden Krisen schon öfter gegeben.
Deutschland sollte vorbereitet sein…
Da die Deutschen den Briten kulturgeschichtlich im Biertrinken nie stark nachgestanden haben, sollte man auch hierzulande vorbereitet und gewarnt zugleich sein. Für Deutschland ist insofern zu erwarten, dass nach Aufhebung des Lockdowns (wann auch immer er kommen wird) ein formidabler Bier-Tsunami auf das Land zurollt. Die Zuwächse des Bierabsatzes – vor allem in Sommermonaten – könnten im Vergleich zum miesen Januar 2021 40% und mehr betragen. Es gilt jedenfalls die Regel: Je mehr Kneipen, Biergärten, Fußballspiele und Volksfeste stattfinden, desto höher der soziale Bierkonsum. Schließlich handelt es sich um das soziale Schmiermittel schlechthin, und das seit Jahrtausenden!
Und im Übrigen hilft das Alkoholparadoxon besonders der Brauwirtschaft
Nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen wird das durchaus bekannte Alkoholparadoxon deutlich werden. Dies bedeutet, dass viele während der Krise weniger, wenige deutlich mehr, aber alle nach der Krise mehr trinken („Corona-Pandemie: Alkohol in der Not?! – To drink or not to drink…“). Paradox daran ist vor allem, dass die Erwartungen der meisten Menschen eine Zunahme des Alkoholkonsums während der Krise nahelegen. Dann wird von den psychisch Gesunden jedoch Aufmerksamkeit, kühler Kopf und Stressbewältigung erwartet. Deshalb nimmt der Alkoholkonsum nur bei den vulnerablen Gruppen (Einsame, Depressive, Hochängstliche) zu.
Da aber eine Dauerkrise schwer zu bewältigen ist, weil unser Stresssystem nicht auf chronisch andauernde Spannungszustände ausgelegt ist, lassen die Widerstandskräfte auf die längere Sicht nach oder erlahmen völlig. Dies kann bedeuten, dass die Zahl der einsam Trinkenden während und am Ende der Krise weiter zunimmt. Frühere Studien zu Alkohol- und Drogenkonsum haben wiederholt gezeigt, dass in den anschließenden Postpandemiezeiten der Konsum insgesamt wieder ansteigt und dies meistens stark. Davon wird besonders die Brauwirtschaft profitieren, weil der Bierkonsum im öffentlichen Raum den Menschen am ehesten das lange vermisste Lebensgefühl wieder vermitteln kann. Das Motiv des Tsunamis!
Dies dient dann sowohl der nachträglichen psychischen Bewältigung der Krisenzeit als auch dem Sich-Arrangieren mit den neuen Lebensbedingungen, die in solchen Zeiten nach dem Motto „wir haben überlebt“ meist besonders euphorisch, ekstatisch und lustbetont sind. Insofern ist zu erwarten, dass nach Ende der Corona-Pandemie, wann auch immer dies sein wird, der Konsum von Alkohol in der Bevölkerung für eine bestimmte Zeit (ein bis zwei Jahre) zunehmen wird, bevor es wieder zu einer Abflachung kommen wird. Bei den einen, weil sie psychisch schon lange erschöpft und am Ende sind, bei den anderen, weil sie Euphorie und Glücksgefühle wieder im Überschwang erleben wollen. Für die Biergärten wäre natürlich der Sommer der ideale Zeitpunkt zur Beendigung des Lockdowns. Dies wäre für den Bier-Tsunami die ideale Dramaturgie.
Kulturgeschichte des Bieres und der Kneipen: Die Wirtschaft – eine Erfindung von Frauen
Bierbrauen ist eine Tätigkeit, die eng mit der Sesshaftwerdung der Menschen vor ca. 15.000 Jahren und dem Einsatz von Frauen zu tun hat. Getreide (anfangs der „wilde Emmer“, eine alte Weizenform) und Hefe – erst viel später kamen Malz und Hopfen dazu – und allerlei weitere Zutaten, die das Deutsche Reinheitsgebot seit mehr als 500 Jahren ausgemerzt hat, schufen die Grundlage für eines der frühesten berauschenden Erfolgsgetränke in der Geschichte der Menschheit. Die Babylonier kannten bereits mehr als 20 Sorten Bier. Acht bestanden aus Emmer mit etwas Gerste, acht bestanden nur aus Gerste, die anderen waren Mischbiere, in denen meist die Gerste überwog. Je mehr Emmer die Biere enthielten, desto hochwertiger wurden sie eingeschätzt- Und in der Folge waren sie natürlich auch teurer.
Dass das „frühe“ Bier gerade von Frauen, zunächst in Mesopotamien und später in Ägypten, hergestellt wurde, lag an ihrer Rolle als „Frauen des Hauses“, die für die Versorgung und Ernährung der Familie verantwortlich waren. Die Lebensleistungen dieser Frauen werden heute durch die Verunglimpfung des Wortes „Hausfrau“ mehr und mehr vergessen. Mit den notwendigerweise immer wieder entstehenden Überschüssen machten sie bald auch Geschäfte. Dies war der Entstehungsmoment der Wirtschaft.
Die Bierbrauerin wurde damit auch zur Wirtin. Sie bot ihr Bier für die erweiterte Familie, Nachbarn und Reisende an. In Babylonien entstand schon bald darauf das erste Alkoholgesetz der Welt als Teil des Code Hammurabi (ca. 1.750 v. Chr.). Ein Hinweis darauf, dass die übermäßige Berauschung der Obrigkeit Sorgen machte und man die Exzesse einzudämmen versuchte. Die Wirtin wurde in den Gesetzen u.a. mit dem Tode bedroht, wenn sie obrigkeitslästerliche Reden in ihrer Wirtschaft duldete. Die gesetzliche Bestimmung sah im Einzelnen vor, dass die Wirtin, die in ihrer Gaststätte politische und staatsgefährdende Diskussionen duldete, ohne die Gäste der Obrigkeit auszuliefern, zu töten war.
Das Reinheitsgebot hatte seinerzeit schon seinen Sinn…
Dass nach vielen Jahrtausenden gerade in Bayern im Jahr 1516 das Reinheitsgebot eingeführt wurde, ist Ende einer oft problematischen Geschichte der Beimengungen, die von Bilsenkraut, Stechapfelsamen, Trompetenbaum und Cannabis bis hin zu eher zweifelhaften Schönheits- und Potenzstärkungsmitteln reichte. So wurden im schon erwähnten Babylon nach alten Schriften bisweilen zur Stärkung der Manneskraft geraspelte Bullenhoden in den Sud gemischt. Hausfrauen kochten auch schon mal Flamingoherzen ein, weil sie sich davon Schönheit und Jugendlichkeit versprachen. Auch das Bier der Priesterkaste zu Ehren des höchsten Gottes Anu hatte es in sich: Nach alten Rezepten haben die Tempelbraumeister bei Vollmond gerne den Urin von heiligen Elefanten in den Sud gekippt.
Man sieht also: Jede Zeit hat ihre Bier-Spezialitäten, an deren besondere Qualität die Kundschaft entweder einfach glaubte oder erst zu würdigen lernen musste. Viele Biere hatten halluzinogene Wirkungen. Der bekannte spätmittelalterliche kräuterkundige Arzt und Apotheker Jacobus Theodorus Tabernaemontanus, eigentlich Jakob Dietrich, der von 1522 – 1590 lebte, sprach in seinem damals sehr bekannten Kräuterbuch, dass solcherlei Bier Hirnwüten, Unsinnigkeit und bisweilen auch den akuten Tod herbeiführen könne.
Das zunächst in Bayern propagierte Reinheitsgebot kam also in einer Zeit, in der die „Psychotropisierung“ des Bieres, d.h. die durch Substanzbeimengungen herbeigeführte psychoaktive Aufladung, weit verbreitet war. Insofern war das Reinheitsgebot, das am 23. April 1516 beurkundet wurde, eine gesundheitspolitische Maßnahme zur Qualitätssicherung des Produktes Bier. Heute steht es manchen schicken Innovationen beim Biergeschmack und der Bierherstellung eher im Wege, wie zumindest viele der innovativen Craft-Brauer meinen. Dass die deutschen Brauer heutzutage im Gedenken an das Reinheitsgebot am 23. April den Tag des Bieres feiern, steht seit Jahren unter einer deprimierten Stimmung, im Corona-Jahr 2021 besonders. Einfach mal am Horizont nach der kommenden Bierschwemme Ausschau halten. Sie kommt bestimmt. Nur die Scheitelhöhe ist noch nicht ganz klar.
Prosoziale und antisoziale Lebensmittel
Der Regensburger Professor für vergleichende Kulturgeschichte Gunther Hirschfelder erwähnt in seinem lesenswerten Buch über die 10.000 Jahre lange Geschichte des Bieres (Hirschfelder & Trummer, 2016), dass der russische Ethnologe S. A. Tokarev in einem 1971 veröffentlichten Aufsatz Lebensmittel mit prosozialen und antisozialen Funktionen unterschieden habe. Bier zählt ganz sicher zu den Lebensmitteln mit prosozialen Funktionen, zumindest in den meisten Fällen: Es erhöht die Geselligkeit, das Redebedürfnis und den Redefluss, die Offenheit, aber auch die Gruppenkohäsion und –konformität. Bier schafft Verbindungen zwischen Menschen, die sich noch nicht kennen, oder vertieft Bekanntschaften und Freundschaften. Die Kneipe, der Biergarten und die Wirtschaft sind „erfunden“ worden, um den Menschen eine passende Ökologie für das dahinter stehende Bedürfnis nach Soziabilität, Zugehörigkeit und Akzeptanz zu bieten (siehe auch „Buhmann Alkohol“).
Erst bei Überdosierungen, vergiftenden Beimischungen und grundsätzlich feindlichen Haltungen des Gegenübers kann es auch antisoziale Wirkungen zeigen. Über Jahrhunderte war das fast zwanghafte Zuprosten unter Männern Angebot von Freundschaft und Sympathie, weshalb ein solcher Trunk nahezu niemals abgelehnt wurde, weil dies Feindseligkeiten zur Folge haben konnte. Über Jahrhunderte führte der Zwang, einen Zutrunk zu erwidern, zu regelmäßigen Besäufnissen unter Männern in Kneipen.
Die Vorteile des Bierrausches
Der Alkoholrausch, besonders der gesellige Bierrausch, bietet Menschen die Möglichkeit, vielfältige psychische Effekte zu erreichen, die ohne die Zufuhr des Alkohols subjektiv schwierig bis unmöglich zu erreichen sind. Dazu gehören das Vergessen von Sorgen in der Gruppe, die Überwindung von Ängsten, das Abmildern depressiver Befindlichkeiten, die Selbstöffnung bei übermäßigen sozialen Hemmungen und bei Schüchternheit. Das Portfolio der Alkoholwirkungen ist breit und macht die Berauschung zum beliebten Alltagsverhalten. Wenn es um soziale Situationen bei der Berauschung geht, sind es vor allem Bier, Wein, Sekt und Cocktails, die benutzt werden. Immer noch bestehen Klassenunterschiede, insofern dass Wein, Sekt und Cocktails tendenziell Getränke der Mittel- und Oberschicht darstellen, während Bier in allen Schichten mit einer Tendenz zur unteren Mittelschicht und Unterschicht besonders viele Liebhaber findet. Bier dient besonders bei Volksfesten, beim Karneval und bei Fußballspielen zur zeitweisen Überwindung von sozialen Schichten und Klassenunterschieden und vermittelt allen das Gefühl gleich zu sein.
Männer – die prädestinierten Biertrinker?
Neben den sozialen Merkmalen ist es auch das Geschlecht, das die Menschen beim Biertrinken unterscheidet. Seit langer Zeit sind es die Männer, die dem Biertrinken mehr zugetan sind als die Frauen. Dabei hatten Frauen über Jahrtausende als Hausfrauen das Bierbrauen als selbstverständliche Tätigkeit übernommen und wurden erst durch die Einführung der Handwerkszünfte (in Köln ab 1394) nach und nach aus dem Bereich des Bierbrauens hinausgedrängt. In den mittelalterlichen Klöstern oblag diese Arbeit ohnehin den Männern.
Und der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist beim Bierkonsum besonders stark. Während 68.6% der erwachsenen Männer im Monat Bier trinken, sind es bei den Frauen lediglich 33.8% (ESA, 2015; Alkoholatlas, S. 38). In allen Altersgruppen trinken Männer zwei- bis dreimal so viel Bier wie die vergleichbaren Frauen. Von den biertrinkenden Männern werden wöchentlich im Schnitt 10.5 Liter Bier verputzt, während es bei den Frauen, die überhaupt Bier trinken, durchschnittlich 3,7 Liter in einer Woche sind. Die Freude auf das Biertrinken und dann beim Biertrinken wird also von vielen Menschen in unserem Land, vor allem Männern, enthusiastisch geteilt.
Beim Biertrinken können Männer ihr Identitäts- und Gruppengefühl stärken. Lange Zeit war es ihnen allein vorbehalten, die Kronenkorkenflasche mit den Zähnen zu öffnen und anschließend das Bier aus der Flasche zu trinken. Neuerdings versuchen sich auch Frauen in diesen Ritualen. Seitdem die Alkoholindustrie den Geschmack des Bieres von sehr herb bis lieblich erweitert hat, zeigen sich zwar auch mehr Frauen dem „Gerstensaft“ zugeneigt. Besonders trifft dies auf Biermischgetränke (Radler, Alster, Krefelder usw.) zu. Aber diese Entwicklungen verändern nicht das Gesamtbild beim Bierkonsum, dass hier die Männer deutlich überwiegen.
Die biertrinkende Frau – Traumziel der Werbewirtschaft
Das Drittel aller Frauen (zuletzt 33.8%, bei den Jüngeren immerhin 45%), das regelmäßig Bier trinkt, konsumiert durchschnittlich 3.7 Liter in der Woche, wobei dieser Wert zwischen den Altersgruppen nur gering schwankt, nämlich zwischen 4.1 Liter wöchentlich bei den ganz Jungen (18-21 Jahre) und den Älteren (60-64 Jahre) und 3.5 Liter bei den Frauen zwischen 40 und 49 Jahren.
Da Frauen deutlich seltener und im Übrigen auch weniger Bier trinken als Männer, sind sie bevorzugtes Ziel der Werbung, natürlich im Auftrag der Brauwirtschaft.
Offenbar ist das Image biertrinkender Frauen so defizitär, dass die hier werbemäßig massiv nachgeholfen werden muss. So heißt es in einem der Blogs: „Zudem interessiert es sie reichlich wenig, wie viele Kalorien sie sich mit einer Flasche Bier einverleiben, wofür sie sich einen weiteren Punkt für Coolness verdient haben. Bier trinkende Frauen sind auch selten zickige Divas. Mit ihnen kann man auch in gut bürgerlichen und nicht so teuren Lokalitäten einen geselligen Abend verbringen. Was andere über sie denken, ist ihnen meistens egal, denn sie tun das, was ihnen guttut und pfeifen auf die Meinung anderer. Dass man ihnen außerdem eine gewisse Unkompliziertheit nachsagt, rundet das Profil der Bier trinkenden Frau perfekt ab“. (siehe „Die Bier trinkende Frau unter der Lupe“)
Da die Aussagen über die biertrinkende Frau alle ohne Belege getroffen werden, ist hier der Wunsch wohl eher Vater des Gedankens. Nach wie vor trinken Männer täglich doppelt so viel Alkohol wie Frauen, und dies vor allem in Form von Bier. Auch die brauwirtschaftlichen Bemühungen rund um den “Welttag der Frauen“ am 8. März mit von Braumeisterinnen des Nachts gebrautem „Deliria“-Bier zeigen, wie groß die Not der Brauwirtschaft wohl sein muss, Frauen als Konsumentinnen nachhaltig zu erreichen (siehe auch Weltfrauentag und blondes Bier – ein Aufruf zum Weintrinken).
Freibier ist ein öffentlicher Magnet – besonders für Männer
Dass Bier im öffentlichen Leben in Deutschland bis heute eine wichtige Rolle spielt, ist nicht zu leugnen. Biergärten, Bieranstiche, Freibierszenarien sind dazu angetan, die – vor allem männliche – Bevölkerung in helle Aufregung zu versetzen. Als im Februar 2021 eine fränkische Brauerei Hilfskräfte suchte, um Bier von Fässern auf Flaschen umzufüllen, und den Bewerbern nebenbei versprach, sie könnten dann auch das restliche Fassbier verkosten, konnte man sich dort kaum vor Interessenten retten. Weit über 90% davon Männer!
Dabei hatte die kommunale (!) Brauerei in Spalt (Landkrs. Roth bei Nürnberg) in ihrer Anzeige noch darauf hingewiesen, dass das Austrinken der Lagerbestände nur im Notfall in Frage käme. Der Vorgang zeigt, wie sehr positive Emotionen, Lust- und Rauscherleben und Spaß am Trinken mit dem Bierkonsum verknüpft sind und außerdem, wenn es um Bierkonsum geht, dass hochgradig selektive Wahrnehmung – hier beim Lesen – auftritt. Allerdings zeigt die Suchtforschung auch, dass die Motive zum Bierkonsum durchaus eskapistische und realitätsvermeidende Hintergründe beim Einzelnen aufweisen können.
Deutschland hat noch keine Bier-Partei – eine Chance für Kleinstparteien?
Die österreichische Bier-Partei wurde im Jahr 2015 von Marco Pogo, dem Frontmann der Wiener Punkrock-Band Turbobier, gegründet. Pogo, bürgerlich Dominik Wlazny, war zuvor praktizierender Arzt, bevor der Erfolg der Band Turbobier ihn zum Profimusiker werden ließ. Bierparteien existieren auch in einigen anderen – vor allem osteuropäischen – Ländern. Wenngleich sie in Einzelfällen auch ernste Ziele verfolgen, handelt es sich überwiegend doch um Spaßparteien mit eher satirischem oder populistischem Anspruch.
Im Falle der österreichischen Bier-Partei dürfte die Existenz der Partei vor allem dem Marketing für die im Hintergrund stehende Punk-Band dienen. Eine derartige Partei existiert derzeit nicht in Deutschland. Es gab in der Wendezeit kurzfristig die „Bier Trinker Union“ in Ostdeutschland mit bis zu 900 Mitgliedern. Immerhin hatte die österreichische Bierpartei bei Wahlen in Wien bis zu 3% aller Stimmen errungen. Das sollte in Deutschland auch möglich sein! Auffällig ist zumindest, dass sich in dem kleineren Österreich eine solche Partei erfolgreich über Jahre etablieren konnte (https://www.bierpartei.eu/ ; diese Website ist schon länger im Umbau).
Bier-Tsunami in der postpandemischen Gesellschaft
Die Annahme, dass es in der postpandemischen Gesellschaft zu vermehrtem Alkohol- und speziell Bierkonsum kommen wird, ist sowohl aus historischen und psychologischen als auch aus ökonomischen Gründen naheliegend. Aus der Geschichte früherer Pandemien ist bekannt, dass die (verbliebenen) Menschen in postpandemischen Zeiten ein intensives, bewusstes Leben voller Dankbarkeit und Lust führten und dabei den alkoholischen Getränken intensiv zusprachen. Allerdings war bei früheren Pandemien der Bevölkerungsverlust um ein Vielfaches höher als in der derzeitigen Pandemie. Die große Pestepidemie des Mittelalters (1348 – 1354) brachte bis zu einem Drittel der Bevölkerung den Tod. Zu den postpandemischen Phänomenen gehörten normalerweise auch Rausch, Gelage, Feiern und der bewusste Genuss der Freuden des Lebens. Die dann wieder oder noch vorhandenen Drogen boten die Möglichkeit der Ekstase, des Vergessens und der sozialen Verschmelzung mit anderen. Bier als „social lubricant“ (soziales Schmiermittel und sozialer Erleichterer) ist dafür – zusammen mit opulenten Speisen – das ideale Getränk.
Die Besonderheit der COVID-19-Pandemie ist die vergleichsweise geringe Letalität (direkte Sterblichkeit), auch im Vergleich mit der Spanischen Grippe der Jahre 1918 bis 1921. Andererseits hat die massenmediale Verbreitung von Angst und Schrecken seit dem Frühjahr 2020 in einem bisher nie gekannten Maße stattgefunden. Daher werden die Menschen in postpandemischer Zeit am ehesten mit der Bewältigung ihrer erworbenen Ängste und sonstigen psychischen und ökonomischen Lockdown-Schädigungen als mit direkt krankheitsbezogenen Folgen zu tun haben.
Ängste steuern den Konsum in der postpandemischen Zeit erheblich mit
In postpandemischen Zeiten kommt als epochale Besonderheit noch hinzu, dass die Menschen noch lange Zeit Ängste vor Ansteckung und den anderen negativen Begleiterscheinungen von Pandemien hegen. Insofern werden auch in der Post-COIVD-19-Gesellschaft viele Menschen noch lange Zeit bei Sozialkontakten ängstlich und unbeholfen sein. Händeschütteln, Umarmen, Küsse – all diese Zeichen der Verbundenheit sind lange Zeit durch soziale Distanzierungsmaßnahmen unterdrückt worden. Unter Alkoholeinfluss wird es leichter sein, die erworbenen Hemmungen zu überwinden und die sozialen Ängste – zumindest solange die Alkoholwirkung anhält – zu unterdrücken. Außerdem wird die Berauschung für eskapistische ekstaseähnliche Zustände sorgen.
Dies sind im Wesentlichen die psychologischen Motive, weshalb alkoholische Getränke in postpandemischen Zeiten eine so wichtige Rolle spielen, wobei Bier in vorderster Linie zu nennen ist. Heutzutage kommen natürlich auch Wein und Cocktails auf der Basis destillierten Alkohols dazu. Insbesondere Bier liefert die Möglichkeit, soziale Beziehungen herzustellen und zu vertiefen, Einsamkeitsgefühle zu verdrängen und sich selbst positiv zu sehen. Aus ökonomischer Sicht werden die großen und kleinen Braukonzerne alles daran setzen, die Verluste aus der Pandemiezeit wettzumachen und wieder auf Präpandemieniveau hinsichtlich Produktion und Absatz zu kommen. Insofern ist die entscheidende Frage, nicht ob es einen Biertsunami geben wird, sondern wie stark die Scheitelhöhe dieses Tsunamis sein wird.
Ein Bier-Tsunami ist wie eine Bierschwemme
Als Schwemme wird in der Biergastronomie der Bereich in einer Schankwirtschaft (besonders in Brauereigaststätten und „Bierpalästen“) bezeichnet, in dem besonders große Mengen Bier ausgeschenkt bzw. getrunken werden. Die Vorstellung, dass man hier sozusagen im Bier schwimmt, ist die naheliegende Kognition. Meist handelt es sich um die größten Säle der jeweiligen Wirtschaft, oft Kellergewölbe („Bierkeller“) mit relativ einfacher Inneneinrichtung, in denen viele Reihen von Tischen und Bänken stehen.
Häufig herrscht auch eine Deutung im Sinne von „Hochbetrieb“ und „Massenandrang“ vor, also einer „Schwemme“ von Gästen. Der Begriff wird oft auch abwertend für eine Schankwirtschaft mit eher niedrigem Standard verwendet. Eine andere, von Bierbrauern stammende Deutung besagt, Schwemme sei der Bereich, in dem in Brauereigaststätten früher die Bierfässer aufgestellt waren. Beim Zapfen könne es dort, je nach Geschicklichkeit der Bierzapfer, durchaus zu einer „Überschwemmung“ mit Bier kommen.
Für die Brauwirtschaft bedeutet der heraufziehende Bier-Tsunami, dass rechtzeitig genug die Produktionskapazitäten hochgefahren werden müssen, damit die trinkfreudige Kundschaft am Ende nicht auf dem Trockenen sitzen bleibt. Mit anderen Worten: Eine epochale Bierschwemme vorzubereiten ist die Gegenwartsaufgabe der Brauwirtschaft. Ein Blick nach UK oder USA kann helfen. Gleichzeitig sollten die Konsumenten darauf achten, dass sie als inzwischen weniger geübte soziale Trinker in vielen Fällen anfangs nicht mehr so viel Bier vertragen werden wie früher. Wenn der pandemiebedingte Lockdown zu einem langfristig anderen Umgang mit Alkohol geführt haben sollte, wäre das ein bemerkenswerter Effekt.
Die deutsche Bierkultur fasziniert und schockt andere Kulturen zugleich
Immer wieder schwärmen Menschen aus anderen Ländern von der deutschen Bierkultur. Ein Besuch auf dem Oktoberfest ist, besonders für Chinesen und Japaner, ein besonders erstrebenswertes Highlight jedes Europa-Urlaubs. Die bayerische Bierseligkeit (was für ein Wort! Eine Übersetzung in andere Sprachen ist unmöglich!) ist sicher auch aus ethnologischer Sicht ein ganz besonderes Phänomen. Dabei mag sich der nüchterne Betrachter durchaus fragen, was an einem Massenbesäufnis in riesigen Zelten besonders ist.
Die Antwort ist vermutlich identisch mit der Frage. Es ist gerade das massenhafte Sich-Betrinken, das die Vertreter anderer Kulturen so fasziniert und oft auch gleichzeitig schockt. Unlängst war zu lesen, dass viele Asiaten, insbesondere Frauen, vor einer Maß Bier (1 Liter) regelrechte Angst entwickeln. Das Leeren eines dermaßen volumenmächtigen Gefäßes kommt ihnen schlichtweg unmöglich vor, so dass sie Angst zu versagen, die Kontrolle zu verlieren usw. entwickeln. So meinte Yu-li Lin aus Taiwan auf Deutschlandfunk, dass die extreme Größe des Bierglases bei ihr durchaus zwiespältige Gefühle, ja sogar Ängste auslöse (siehe dazu: „Das Maßbier ist für uns ein Schock“). Ob die Empathie bayerischer Biertrinker so weit reicht, sich in die junge Chinesin und ihre Gefühle hineinzuversetzen?
Von der Postmoderne ins Postpandemische – nur Bier ist tsunamitauglich
Bier ist tsunamitauglicher als jedes andere alkoholische Getränk. Seit den Dionysien wird Wein nicht mehr so intensiv für Ekstasen verwendet. Und Bier ist süffiger als etwa Wein, obwohl die Bier-Sommeliers diesen Begriff gerne in „Drinkability“ geändert wüssten, weil dieser einen urbaneren Touch aufweist. Und Süffigkeit enthält genauso wie Drinkability das Streben nach mehr, also einen faktisch höheren Konsum. Ein Bier soll Lust auf ein weiteres machen und so weiter. Die postpandemische Frage ist nicht, ob konsumieren, sondern wie viel. Bier ist das ideale Getränk für kontinuierlichen Konsum. Aufgrund des vergleichsweise geringen Alkoholgehalts (meist um 5Vol-%) flutet die Alkoholwirkung im Gehirn nur langsam an. Man steht nicht so schnell – dafür aber umso nachhaltiger – unter Alkoholeinfluss.
Auch die angenehme Kühle des Getränks (meist zwischen 7 und 8 Grad Celsius für Pils oder Kölsch) steigert die Attraktivität, zumindest seitdem diese Möglichkeit zur Kühlung besteht. Dies ist jetzt, sieht man vor vorherigen Ansätzen mit Felsenkellern und ähnlichem ab, seit gut 120 Jahren industriell möglich. Bier hat also neben der langsam einsetzenden Berauschung zusätzlich noch die Funktion eines Erfrischungsgetränks bekommen. Und ganz wichtig ist die Funktion des Bieres als soziales Getränk. In dieser Funktion muss es zwar mit Wein und Sekt konkurrieren, weist jedoch deutliche Vorteile auf. Bei sozialen Gelegenheiten, Alltagsfesten und Zusammenkünften, ist Bier meistens das Getränk der Wahl, vor allem wenn viele Männer zugegen sind.
Es ist alles vorbereitet auf den ersten Bier-Tsunami seit vielen Jahrzehnten. Jetzt muss nur noch das Corona-Virus verschwinden.
Suchtpräventive Empfehlungen
Jugendliche haben jetzt oft keine Vorerfahrungen mit sozialen Trinksituationen, weil seit vielen Monaten Lockdown herrscht. Sie sollten es langsam angehen lassen, ihre Grenzen erkunden, um die passende Dosierung des Alkohols zu erlernen. Die Eltern können dabei helfen durch häusliche Gespräche über Alkohol und praktische Alkoholerziehung. Natürlich sollen Jugendliche die Erfahrung von Alkoholgenuss und Feiern erleben können.
Lust, Genuss und Freude
Wenn alles gut läuft und die Menschen im Sommer 2021 ihr Leben wieder in vollen Zügen genießen können, was nach wie vor alles andere als klar ist, wird die noch nicht völlig verschwundene Pandemie trotzdem Spuren hinterlassen haben. Wenn diese in Richtung eines achtsameren Lebens und auch eines achtsameren Umgangs mit Alkohol weisen, wäre dies ein toller Effekt. Lust, Genuss und Freude sollten so oder so möglich sein, im sozialen Miteinander ohne Distanzierungsmaßnahmen und in der Wiedergewinnung von Freiheit, Lebensfreude und einem hoffentlich achtsameren sozialen Miteinander. Die Nebenwirkungen des langen Lockdowns könnten die postpandemische Gesellschaft achtsamer machen – auch im Umgang mit den Vorzügen und Nachteilen der Drogen, die uns Menschen seit Anbeginn begleiten. Und wenn der Bier-Tsunami erst 2022 kommt wegen anhaltender Pandemie und Lockdown-Maßnahmen, besteht noch ein ganzes Jahr die Gelegenheit, sich darauf vorzubereiten und innerlich reif zu machen dafür.
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