Schluss mit dem Alkoholverbot in Bayern: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH Bayern) hat am 19. Januar 2021 das bayernweite Alkoholverbot im öffentlichen Raum in einer Eilentscheidung vorläufig außer Vollzug gesetzt. Gegen diesen Beschluss (Az. 20 NE 21.76; ) gibt es keine Rechtsmittel. Ein nicht näher genannter Bürger aus Regensburg hatte den entsprechenden Antrag gestellt. Auch wenn dies ausdrücklich nicht das Ziel des VGH Bayern war, wird damit erneut die kulturhistorische Rolle Bayerns als besondere Heimat des Alkohols unterstrichen. Ich habe hier schon einmal dazu berichtet. Diese Interpretation des Urteils, das nur eine Fußnote der Pandemiegeschichte sein wird, wird hier aus alkoholkultureller Sicht hinzugefügt.
Inhaltsübersicht
Globale Alkoholverbote im Freien unzulässig
Zur Begründung teilte das Gericht mit, dass nach den Bestimmungen des Bundesinfektionsschutzgesetzes Alkoholverbote nur an bestimmten öffentlichen Plätzen vorgesehen seien. Die Anordnung eines Alkoholverbots für die gesamte Fläche des Freistaats Bayern überschreite daher die Verordnungsermächtigung, die der Bundesgesetzgeber im Kern erteilt habe. Die Entscheidung des Senats gelte ab sofort bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Das flächendeckende Alkoholverbot im Freien für ganz Bayern galt ab 11. Dezember 2020. Zur genaueren Begründung führte der für das Infektionsschutzrecht zuständige 20. Senat aus, dass nach § 28a des Bundes-Infektionsschutzgesetzes¹ (IfSG) Alkoholverbote nur an bestimmten öffentlichen Plätzen vorgesehen seien. Mit anderen Worten: Die Staatsregierung kann nicht per Dekret den ganzen bayerischen Luftraum alkoholfrei machen, sondern nur dezidiert Hot-Spots, diesbezüglich aber durchaus sehr viele.
Alkoholverbot in Bayern: Auf Plätzen und bei Hot-Spots zulässig
Die bayerische Staatsregierung will nun den Kommunen erneut lokale Verbote ermöglichen. Diese sind durchaus weiter möglich – denn sie waren nicht Gegenstand des Verfahrens. „Die Entscheidung des VGH ist bedauerlich, da Alkohol enthemmt und dazu beiträgt, mit den unbedingt nötigen Hygieneabständen laxer umzugehen“, teilte die Staatskanzlei in München der Deutschen Presse-Agentur in einer ersten Stellungnahme mit. „Wir werden daher die alte Regelung wieder in Kraft setzen, wonach die Kommunen bestimmte Plätze festlegen, an denen der Alkoholkonsum im öffentlichen Raum verboten ist.“
Viele Städte hatten schon im Herbst 2020 – vor allem an Versammlungs- und Feier-Hotspots – Alkoholverbote erlassen, darunter München, Nürnberg und Bamberg. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte aber schon Anfang September 2020 das nächtliche Alkoholverbot der Stadt München für den gesamten öffentlichen Raum für unverhältnismäßig erklärt. Die Richter wiesen danach eine Beschwerde der Landeshauptstadt zurück und bestätigten eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Stadt hatte danach gezieltere lokale Verbote erlassen, etwa rund um die beliebtesten Party-Hotspots in den Isarauen oder rund um den Gärtnerplatz.
Comeback des Glühweins in der Öffentlichkeit
Wie und wo nun wieder Alkohol in der Öffentlichkeit konsumiert werden kann, hängt davon ab, wie schnell die Kommunen neue Regeln schaffen. Grundsätzlich hieß es in der elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung von Mitte Dezember 2020: „Zulässig sind die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken.“ Vielerorts gab es seitdem Getränke und kleinere Speisen, etwa an Kiosken. Nun wäre auch Alkohol wieder erlaubt – und damit der in der kalten Jahreszeit beliebte Glühwein. Man wird kaum alle Abgabeplätze für Alkohol in Bayern verbieten können.
Kurze Geschichte und Beschreibung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat unter der Regentschaft von König Ludwig II. am 01. Oktober 1879 seine Tätigkeit aufgenommen und zählt damit zu einem der ältesten kontinuierlich tätigen Gerichte in Deutschland. Dort sind derzeit 68 RichterInnen in 21 Senaten tätig.
Hintergründe des Eilantrags
Der Eilantrag des Regensburgers an den Verwaltungsgerichtshof richtete sich nicht nur gegen das Alkoholverbot, sondern auch gegen die 15-Kilometer-Regelung für tagestouristische Ausflüge, gegen Kontaktbeschränkungen sowie die Schließung von Bibliotheken und Archiven. Eine Außervollzugsetzung lehnte das Gericht in all diesen anderen Punkten aber ab. Insofern ist der die Außerkraftsetzung des Alkoholverbots unter freiem Himmel für ganz Bayern ein besonderer Sieg für die Trinkkultur im Freistaat.
Gesamteinschätzung
Mit dem bayernweiten Alkoholverboten unter freiem Himmel, also vom Alpengipfel bis ans Mainufer, habe der Freistaat seine Kompetenzen überschritten, so der Verwaltungsgerichtshof in seiner Urteilsbegründung. Einzelne Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen seien aber nach wie vor möglich. Wieder einmal sind bayerische Exekutivinstanzen weit über ihr berechtigtes Anliegen der Eindämmung der Corona-Pandemie hinausgeschossen und mussten von einem obersten Landesgericht zurecht gewiesen werden. Die Rolle des Alkohols als Risikofaktor bei der Ausbreitung der Pandemie sollte ohnehin differenzierter bewertet werden. Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit ist ein Freiheitsrecht einer demokratischen Gesellschaft, öffentliche Besäufnisse und Verhaltenskontrollverluste unter Alkohol sollten auch ohne Corona eingedämmt und verhindert werden.
¹ Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) zu finden hier.